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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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tust so heilig und bist doch nur ein Scheinheiliger! Was redest du von deinem Einsatz für das Volk? Du willst mich festznehmen und es dir als Verdienst anrechnen lassen! Wer Beamter wird, hilft nicht dem Volk. Er ist ein Komplize der Attentäter. Ich habe meine Frau verloren und meine Kinder, meine Hoffnungen sind zu Asche geworden. Rache zu nehmen ist das einzig Richtige, was mir zu tun bleibt! Was kümmert es mich, daß du Examensabsolvent in den höchsten Ranglisten bist. Und wenn du der Kaiser persönlich wärst, es gilt mir nichts. Ich reibe mir die Fäuste, reibe mir die Handflächen, schwinge meinen Stock ohne Gnade für einen korrupten Beamten ...«
    Er nahm den Kopf Qian Dings ins Visier, holte aus und schlug zu.
    » Halt, bleib stehen, statt deines Kopfs wirst du nur noch eine große Narbe haben, ich schlage dich tot, du falscher Präfekt, der den Tigern das Volk zum Fraß hinwirft ...«
    Der Präfekt sprang behende zur Seite und Sun Bings Stock zischte nur durch die Luft. Die Wachsoldaten des Yamen sahen ihren Herrn in Gefahr und ergriffen ihre Schwerter, um Sun Bing aufzuhalten. Dieser stieß einen markigen Schrei aus und sah ganz so aus, als ob er notfalls auch gegen eine Armee von tausend Mann Widerstand leisten würde. Wutschnaubend stampfte er auf wie ein wildgewordenes Tier und seine Augen sprühten Funken. Die Dorfbewohner schrien. Wellen des Zorns schwappten über. Sun Bing zerteilte die Luft mit seinem Stock. Einer der Leute des Yamen konnte ihm nicht mehr ausweichen, und er rollte, sich mehrfach überschlagend, den Deich hinunter. Seine Exzellenz Qian wandte den Kopf zum Himmel und stieß einen tiefen Seufzer aus: »Meine Güte, der Himmel weiß, daß ich es mir nicht leicht mache! Aber, liebe Freunde, man darf sich, was die Ausländer angeht, nicht zu voreiligen Handlungen hinreißen lassen. Sun Bing! Für heute lasse ich dich gehen, aber später kommst du nicht mehr so leicht davon. Gib gut auf dich acht!«
    Unter dem Schutz seiner Eskorte bestieg Qian Ding die Sänfte. Die Träger setzten sich in Bewegung, ihre Beine flogen schnell wie der Wind und im Handumdrehen war die ganze Gruppe vom Dunkel der Nacht verschluckt.
    In dieser Nacht machte ganz Masang kein Auge zu. Immer wieder hob das Wehklagen der Frauen an und bis zum Morgengrauen vernahm man das Hämmern der Zimmerleute bei der Anfertigung der Särge. Am nächsten Tag halfen sich die Nachbarn gegenseitig dabei, ihre Toten herzurichten und in die Särge zu legen. Die lange Reihe weißer Holzsärge wurde mit Nägeln verschlossen.
    Als die Toten bestattet waren, fühlten sich die Überlebenden zunächst etwas benommen, so, als seien sie gerade aus einem Alptraum erwacht. Sie versammelten sich auf dem großen Deich und sahen zu der Eisenbahnlinie in der Ferne. Der Bahndamm endete mittlerweile schon bei Liuting, einem kleinen Dorf am östlichen Rand des Landkreises, nur etwa drei Kilometer von Masang entfernt. Die Gräber der Ahnen waren bedroht, auch die Abzugsgräben für das Hochwasser und das gesamte geomantische Gleichgewicht der Region. Zudem hatte jeder noch das Gerücht über die abgeschnittenen Zöpfe, die unter den Schienen mitverlegt würden, in den Ohren und wähnte seinen Hinterkopf in Gefahr. Und mit Landesvätern und -Müttern, die sich zu den Jagdhunden der Ausländer machten, schienen dem einfachen Volk schwere Zeiten bevorzustehen.
    Sun Bing war über Nacht gänzlich ergraut und auch die letzten ihm verbliebenen Barthaare waren so vertrocknet, daß sie ihm abfielen. Wie einst in der Rolle eines alten Kriegers auf der Bühne hastete er, seinen Stock schwenkend, in einem fort vor dem Dorf auf und ab. Die Leute dachten, die Ereignisse hätten ihm den Verstand geraubt und sahen ihm mitleidig zu. Auf die Rede, die er ihnen schließlich hielt, waren sie nicht gefaßt:
    »Liebe Freunde, ich, Sun Bing, habe den deutschen Techniker getötet und damit ein großes Unglück heraufbeschworen und euch allen Unannehmlichkeiten bereitet. Ich schäme mich, ich bin entsetzt! Nehmt und fesselt mich und übergebt mich Qian Ding, damit er mit den Deutschen verhandelt. Wenn sie sich darauf einlassen, die Bahnstrecke zu verlegen, dann kann ich beruhigt sterben.«
    Alle stürzten zu ihm hin, um ihn zu beschwichtigen, und redeten wild durcheinander auf ihn ein: »Sun Bing, Sun Bing! Du bist ein echter Mann, stark und mutig, ein Held, der weder den Richter noch die Ausländer fürchtet. Du magst die Katastrophe provoziert haben, die über uns

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