Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)
sie lautlos versank. Schließlich trieben die deutschen Soldaten mit ihren Bajonetten auch seine Kinder in den Fluß. Sun Bing sah nur noch einen Schleier roten Blutes vor sich. Es war ein Alptraum. Sein Herz brannte und drängte, doch sein Körper blieb starr und unbeweglich. Er kämpfte mit aller Gewalt gegen die lähmenden Kräfte an. Endlich stieß er einen Schrei aus, löste sich vom Baum und fiel schwer auf den weichen Sandboden unter der Weide.
Kapitel 8:
Der heilige Altar
1.
Er schlug die Augen auf. Helle Strahlen schienen durch die Weidenzweige und stachen ihm in die Augen. Die schrecklichen Bilder, deren Zeuge er soeben geworden war, tauchten wieder aus dem Meer seiner Benommenheit auf. Sein Herz zog sich vor Schmerz zusammen wie das eines Ochsen, dem man gerade in die Testikel getreten hat. In diesem Moment war es ihm, als ertönte der Klang von Gongs und Trommeln wie das Präludium einer Katzenoper. Gleich darauf das langgezogene klagende Gebläse der Suonas und Trompeten. Diese Klänge, die ihn sein halbes Leben lang begleitet hatten, vermochten den Schmerz in ihm ein wenig zu glätten; wie ein Berg, dem man den Gipfel abschleift, um ein Tal damit zu füllen, ebnete sich sein Schmerz zu einem weiten Plateau ein. Die Elstern pfiffen über ihm, als ob sie die Musik in seinem Herzen begleiten wollten. Das Klopfen der Spechte gab den Rhythmus vor. Die Zweige der Weide bewegten sich im Wind, ganz wie einstmals sein schöner Bart ...
»Ich, ich, ich mit dem Stock aus Dattelholz in der Hand, ein glänzendes Messer an meinem Busen,
Gehe einen Schritt, weinend nach vorn; noch einen Schritt, brennend vor Zorn.
Ich, ich, ich eile den gewundenen Pfad entlang, verzweifelt, daß mein Weg so lang ...«
Arien der Trauer und des Hasses donnerten in seiner Brust, er faßte mit einer Hand nach dem Baumstamm und hatte Mühe, sich hochzuziehen, sein Kopf schwankte. Er stampfte mit den Füßen auf. Dong dong dong dong dong.
»Oh welch ein Schmerz! Sun Bing hebt die Augen und sieht im Norden sein Haus, Feuer und Rauch füllen die Luft aus.
Meine Frau, sie fand durch Mörderhand in den Fluten den Tod, verschwand im Bauch eines Fisches.
O Not! Meine Kinder! Tragödie! Mein Junge und mein Mädchen sind verschwunden in der Welt der toten Geister.
Wie hassenswert mit ihrem weißen Haar und grünen Augen sind diese Dämonen,
Ohne Gewissen und ohne Moral, mit Herzen von Schlangen und Skorpionen,
Töten sie unschuldige Wesen, als wären sie Ratten, zerstören meine Familie und mein Leben,
Und ich bleibe allein mit meinem Schatten ...«
Er stützte sich auf den Stock aus Dattelholz, der ihm soviel Unglück gebracht hatte und wankte zum Weidenwäldchen hinaus.
» Ich bin wie eine einsame Wildgans, die ihre Herde verloren hat,
Wie der Tiger, der in die weite Ebene gefallen ist,
Wie ein Drache auf einer Sandbank im Fluß ...«
Er wirbelte seinen Dattelholzstock durch die Luft, schlug den Weidenbäumen Wunden in die Rinde, schlug die Bäume, bis sie weinten ...
»Deutscher Teufel! Du, du, du hast meine Frau getötet und meine Kinder,
Nach Rache verlangt mein tiefgreifender Haß!
Wer keine Vergeltung sucht, ist es nicht wert, ein Mann genannt zu werden ...«
Er schwang seinen Dattelholzstock und stapfte durch den Masang, bis ihm das Wasser zum Bauchnabel reichte. Obwohl der Fluß im Februar schon nicht mehr gefroren war, war er doch immer noch eiskalt. Und doch spürte er keine Kälte, so heiß brannte das Feuer der Rache in ihm. Nur mühsam kam er im Wasser voran, das er für Gruppen ausländischer Soldaten nahm, die ihm im Weg standen und an ihm zerrten. Er watete weiter, schlug mit dem Stock auf das Wasser, platsch, platsch, platsch! Das Wasser schrie, spritzte nach allen Seiten.
»Wie ein Tiger in einer Schafherde ...«
Das Wasser spritzte ihm ins Gesicht, alles verschwamm, wurde gräulich weiß, blutrot.
»Ich dringe vor in die Tigerhöhle, in den Drachenteich,
Ich töte, richte ein Blutbad an, ich bin der unbeugsame Richter, der über Leben und Tod entscheidet,
Ich bin dem unwägbaren Schicksal gleich ...«
Auf Händen und Füßen krabbelte er am anderen Ufer den Deich hinauf, warf sich zu Boden und liebkoste die noch feuchten Blutspuren.
» Meine geliebten Söhne, zur Gelben Quelle ging euer Leben hin,
Euer Vater, der ich gebrochenen Herzens bin, starre blind vor mich hin,
Mir schwindet der Sinn, ich bebe vor Zorn!«
Seine Hände waren voll von blutiger Erde. Von den brennenden Häusern ging eine
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