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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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außer sich vor Zorn. Erst wollte er selbst herkommen, um als Anführer unserer Truppen die Ausländer zu verjagen, doch wird er dermaßen von militärischen Angelegenheiten in Anspruch genommen, daß er sich nicht freimachen konnte. Aber er hat sein Wissen über die magische Kampfkunst mit mir geteilt und mir befohlen zurückzukehren und einen heiligen Altar zu errichten, um die Lehre der Boxer zu verbreiten und die Ausländer aus unserer Region zu vertreiben. Diese beiden hier sind des Meisters Jünger, Zweiter Bruder Sun und Dritter Bruder Zhu, die mir beim Errichten des Altars und Weitergeben unserer Kunst helfen werden. Sie besitzen beide magische Kräfte, die sie unverwundbar machen. Gleich könnt ihr euch selbst davon überzeugen. Zuvor aber werde ich euch noch etwas zeigen.«
    Sun Bing legte seinen Dattelholzstock neben sich, nahm aus einem von Sun Wukong mitgebrachten Stoffbündel einen Packen gelbes Papier und zündete es an einer Kerze an. Das Papier verbrannte in seiner Hand und wurde zu Asche, die davonflog und in der heißen Luft über dem Frühlingsfeuer kreiste. Dann kniete er vor dem Tisch mit dem Räuchergefäß nieder und schlug ehrfürchtig seine Stirn dreimal auf den Boden auf. Er nahm einen Talisman aus dem Stoffbündel und verbrannte ihn ebenfalls. Er gab Wasser aus einer Kalebasse hinzu, rührte es mit ein paar roten Stäbchen um und stellte die Schale auf dem Altar ab. Wiederum kniete er sich hin und machte drei Kotaus. Dann nahm er die Schale und trank den Inhalt auf einmal aus. Auch hierauf folgten drei Kotaus. Er schloß die Augen und murmelte etwas vor sich hin. Es handelte sich dabei gewiß um eine Zauberformel, doch er sprach so undeutlich, daß sich den Zuhörern der Sinn nicht erschloß. Seine Stimme schwankte zwischen laut und leise, er summte eine endlose, harmonische Melodie, von der den Leuten ganz schläfrig wurde. Sie gähnten mit weit aufgerissenen Mündern und die Lider wurden ihnen schwer. Plötzlich stieß er einen lauten Schrei aus und fiel zuckend und mit Schaum vor dem Mund auf den Rücken. Aufgeschreckt wollten ihm die Zuschauer zu Hilfe eilen, Wukong und Bajie hielten sie jedoch davon ab.
    Ein paar Minuten lang warteten alle gespannt. Plötzlich sahen sie Sun Bing hochspringen wie einen Karpfen im Teich. Sein massiger Körper erhob sich federgleich einen Meter hoch in die Luft und landete dann sicher auf der Erde. Alle kannten sie Sun Bings Geschichte. Sie wußten, daß er auf der Bühne gestanden hatte, aber ein solches Kunststück hätten sie ihm nicht zugetraut. Normalerweise waren diese Wanderschauspieler bereits nach zwei Saltos außer Atem. Im Schein des Feuers sahen sie, wie seine Augen einen ungewöhnlichen Ausdruck annahmen, sein rötliches Gesicht schien entrückt, und sie wußten kaum noch, wen sie vor sich hatten. Die größte Veränderung aber ging mit seiner Stimme vor. Feierlich und mit unüberbietbarer Noblesse verkündete sie: »Ich bin der Feldmarschall der Großen Song-Dynastie, mein Name ist Yuefei, genannt Pengju und ich stamme aus Tangyin in Henan.«
    Es war, als hätte man das Herz eines jeden wie einen schweren, reifen Apfel an den fragilen Zweig eines Baumes gehängt, der mit einem Schlag herunterfiel und laut auf die Steine aufschlug: »Es ist General Yue Fei!« riefen alle verblüfft.
    »Er ist vom Geist des Yue Wumu besessen!«
    Jemand warf sich auf die Knie, und die anderen taten es ihm nach. Der vom Geist des Generals beseelte Sun Bing wirbelte mehrmals im Kreis mit den Beinen in der Luft um den Platz herum, mit der Leichtigkeit und Anmut eines eleganten jungen Mannes. Sein Körper flog auf und nieder und die Fähnchen auf seinem Rücken flatterten im Wind. Seine silbernen Schulterklappen sandten Lichtstrahlen aus. Dieser Sun Bing war kein menschliches Wesen mehr, sondern ein mythischer Drache, der sich unter die Lebenden begeben hatte. Nach diesem Tanz ergriff er seinen Dattelholzstock, focht mit ihm wie mit einem Schwert in der Luft und ließ ihn rotieren wie eine eigenartige Boa. Zutiefst beeindruckt machten die Leute einen Kotau nach dem anderen.
    Da hielt er inne und ließ wieder seine herrliche Stimme hören: »Verachtenswert sind die zwölf Edikte des Königs Wu! Alle drei Armeen rebellieren und die Wellen des Gelben Flusses klingen wie wütendes Donnergrollen. Wie furchtbar sind die Leiden unserer Ältesten. Wie schrecklich ist es, daß der kaiserliche Wagen noch nicht an den Hof zurückgekehrt ist. Wann wird endlich der Staub, den

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