Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)
Laut raschelte der Bambus. Meiniang tat alles weh. Sie hielt sich an einem dicken Bambussproß fest und versuchte sich mühsam hochzuziehen. Erbost starrte sie hinüber zu dem Lichtschein, der unverändert aus dem westlichen Salon drang. Sie faßte sich an den Hintern und fühlte dort eine klebrige Masse. Was war das denn? Sollte sie sich etwa so schwer verletzt haben, daß dickes Blut aus ihrem Hintern quoll? Dann merkte sie, daß es Hundekot war. Himmel, diese bösartige Person hat völlig den Verstand verloren, dachte sie. Solche üblen Tricks hat sie sich ausgedacht, um mich an einem Besuch bei Qian Ding zu hindern! Ärger stieg in ihr auf. Sie fragte sich, ob sie immer noch Lust hätte, in diesem Zustand zu ihm hinzugehen. Sie würde sich zum Gespött machen. Meiniang fühlte sich mutlos und zu nichts nütze. »Na gut, Qian Ding, dann stirb doch und mache deine ehrenwerte Frau Gemahlin zur Witwe, und wenn sie nicht als Witwe leben will, dann soll sie doch Gift nehmen oder sich erhängen und dir als loyale Gattin in den Tod nachfolgen. Die Leute von Gaomi werden es sich bestimmt nicht nehmen lassen, Geld für die Errichtung eines Gedenksteins zu sammeln!«
Sie ergriff den dicken Ast einer anderen Ulme und wollte daran hochklettern. Doch jedes Mal, wenn sie ein Stück vorangekommen war, rutschte sie wieder ab. Ihre Hände und Füße waren von der klebrigen, schwarzen Masse verschmiert. Nicht auszuhalten! Offenbar hatte man auch diesen Baum mit Hundekot präpariert. Sie wischte ihre Hände im Gras ab. Tränen der Wut quollen aus ihren Augen. In diesem Moment vernahm sie ein spöttisches Lachen hinter einem künstlichen Hügel im Garten und sah zwei menschliche Schatten mit einer roten Laterne vorbeihuschen. War es die Laterne des Fuchsgottes, der verirrte Wanderer gern an der Nase herumführte? Sie versuchte, die beiden Gestalten zu erkennen. Aber sie waren ganz in Schwarz gekleidet und vermummt.
Sie hätte gern ihr Gesicht hinter ihren Händen verborgen, doch daran war bei diesen schmutzigen Pfoten nicht zu denken. Meiniang senkte den Kopf so tief es ging, machte sich klein und ging rückwärts, bis sie an die Mauer stieß. Da blieb die größere der beiden Gestalten stehen und hielt die Laterne hoch, so daß der Lichtschein direkt in ihr Gesicht fiel. Die kleinere Gestalt hob einen Stock, wie man ihn gewöhnlich benutzte, um die Schlangen im Gras aufzuschrecken, drückte ihn unter ihr Kinn und hob ihren Kopf an. Meiniang war starr vor Scham und hatte keine Kraft, um Widerstand zu leisten. Krampfhaft hielt sie die Augen geschlossen. Sie hörte die Person mit dem Stock einen langen Seufzer ausstoßen, zweifellos der Seufzer einer Frau. Es mußte die Frau des Präfekten sein. Sofort gewann die Lust an der Herausforderung in Meiniang die Oberhand über Scham und Schmerz. Gerade hatte sie sich überlegt, wie sie ihr Gegenüber mit der Frage, ob die gnädige Frau wohl mit dem schwarzen Schleier die Pockennarben auf ihrem Gesicht verdecken wolle, provozieren würde, da kam die andere ihr, noch bevor sie den Mund aufmachen konnte, zuvor. Sie trat auf sie zu, packte sie am Kragen und schon hatte sie ihr den Talisman vom Hals gerissen. Es war der kleine Jadebuddha, den Qian Ding ihr einmal geschenkt hatte. Wenn man es auch vielleicht kein Verlobungsgeschenk nennen konnte, so war es doch ein Glücksbringer für sie. Wütend sprang sie auf die Frau zu, um ihn ihr wieder zu entreißen, doch die größere Gestalt in Schwarz stellte ihr ein Bein, sie stolperte und fand sich auf Knien wieder. Sie sah, wie der Schleier vor dem Gesicht der gnädigen Frau leicht flatterte und ihr Körper bebte. Da sie nun nichts mehr zu verlieren hatte, nahm sie sich vor, kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen. »Ich weiß, wer du bist«, sagte sie laut, »ich weiß, daß dein Gesicht voller Pockennarben ist. Mein geliebter Patenonkel hat mir gesagt, daß du am ganzen Körper stinkst, daß du die Würmer hast und er schon seit drei Jahren nicht mehr mit dir geschlafen hat. Wenn ich du wäre, würde ich mir einen Strick nehmen. Was unterscheidet denn eine Frau, die ihr Mann nicht mehr anfassen will, von einem Sargbrett ...«
Die strenge Stimme der anderen unterbrach barsch ihre Tirade: »Du Hure! Schreckst nicht einmal davor zurück, deine Affären bis zum Yamen auszudehnen. Das Fell sollen sie dir über die Ohren ziehen! Verpaß ihr fünfzig Peitschenhiebe und befördere sie mit einem Fußtritt auf die Straße!«
Noch bevor sie zu Ende
Weitere Kostenlose Bücher