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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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die Knie fallen und sagte: »Gnädige Frau, Ihr habt mich rufen lassen. Womit kann ich Euch zu Diensten sein?«
    »Sieh, was du angerichtet hast«, sagte die Frau kühl.
    »Aber ich habe doch gar nichts ...«
    »Wie kommt es, daß Seine Exzellenz sich mit dieser Sun Meiniang eingelassen hat?« fragte sie streng. »Ist es nicht richtig, daß du in dieser Sache den Vermittler gespielt hast?«
    »Gnädige Frau, man tut mir unrecht«, verteidigte sich Chunsheng, »ich bin nichts weiter als ein Hund, der Seiner Exzellenz zur Seite steht und bellt oder beißt, wenn er es befiehlt.«
    »Was für eine Frechheit, Chunsheng, du wagst es auch noch, mir auszuweichen«, sagte die Frau Präfektin wütend. »Seine Exzellenz hat euch kleine Bastarde zu Dummheiten angestiftet, das ist es doch!«
    »Ihr tut mir wirklich unrecht ...«
    »Chunsheng, du verdammter Mistkerl, du bist mir ein schöner Ratgeber Seiner Exzellenz. Nicht nur, daß du es versäumst, ihn zur treuen und redlichen Ausführung seines Amtes zu ermahnen, du verführst ihn auch noch zu einer Affäre mit einem Mädchen aus dem Volk, das ist einfach der Gipfel! Eigentlich verdienst du, daß man dir mit einer tüchtigen Prügelstrafe die Beine bricht, aber da du dem Präfekten viele Jahre lang treu zur Seite gestanden hast, werde ich diesmal Gnade vor Recht ergehen lassen. Von heute an wirst du mir über jeden Vorfall, meinen Mann betreffend, umgehend Bericht erstatten. Wenn nicht, dann wirst du deine alten wie deine neuen Rechnungen auf einmal begleichen müssen!«
    Chunsheng schlug die Stirn auf den Boden und sagte, sich beinahe vor Angst in die Hosen machend: »Ich danke der Gnädigen Frau für ihre Güte. Ich werde mich bessern.«
    »Geh zu diesem Hundefleischladen und richte Sun Meiniang aus, daß ich sie sehen möchte«, sagte die Präfektin kühl. »Ich habe ein Wörtchen mit ihr zu reden.«
    »Gnädige Frau«, sagte Chunsheng, all seinen Mut zusammennehmend, »diese Sun Meiniang ... ist ein Mensch mit den allerbesten Absichten ...«
    »Halt den Mund«, sagte die Gnädige Frau verärgert. »Mein Mann darf nichts davon erfahren. Falls du es wagst, ihm gegenüber auch nur ein Wort zu verlieren ...«
    »Ich werde verschwiegen sein wie ein Grab ...«

6.
    Die Nachricht von der schweren Krankheit des Präfekten war auch zu Meiniang vorgedrungen, die zutiefst besorgt war. Sie konnte nicht mehr schlafen und nicht mehr essen, es war für sie schlimmer, als wenn ihre eigenen Verwandten im Sterben läge. Sie hatte mehrfach versucht, Qian Ding mit einem Korb voll Hundefleisch und Reiswein im Yamen einen Besuch abzustatten, doch jedes Mal wurde ihr von den Wachposten der Zutritt verweigert. Die Wachsoldaten waren wie ausgewechselt. Keiner von ihnen wollte sie mehr kennen. Es war, hätte das Yamen einen neuen Hausherrn, der den ausdrücklichen Befehl erlassen hatte, sie nicht mehr einzulassen.
    Meiniang war völlig verzweifelt und wußte nicht, was sie tun sollte. Tag für Tag ging sie mit ihrem Korb vor dem Yamen auf und ab. Die Leute spotteten hinter ihrem Rücken und zeigten mit dem Finger auf sie, als wäre sie eine Verrückte. Um für die Gesundheit des Präfekten zu beten, hatte sie sämtliche Tempel der Stadt, und selbst den Bazha-Tempel, der mit der Heilung von Krankheiten rein gar nichts zu tun hatte, aufgesucht, dort Opfer dargebracht und gebetet. Als sie gerade aus dem Bazha-Tempel herausgetreten war, war ihr eine Schar Kinder hinterhergelaufen, die einen offensichtlich von den Erwachsenen erdachten Gassenhauer sangen:
    »Der Präfekt ist liebeskrank, nicht kosten mag er Speis und Trank.
    Oben spuckt er Blut und unten fließt ihm Eiter raus.
    Sein Bart ist lang, sein Kopf ist bei Sun Meiniang.
    Wie ein Mandarinentenpaar sehn die beiden aus.
    Wie ein Mandarinentenpaar, und sind sich doch nicht nah.
    Dem Männchen ist zum Sterben, dem Weibchen ist zum Weinen,
    Die Frau Präfektin will nicht, daß sie sich vereinen ...«
    Es war Meiniang, als hörte sie eine Botschaft des Präfekten, und ihr war zum Weinen, als sie auf diese Art vernahm, wie schwerwiegend die Krankheit Qian Dings war. Immer wieder sagte sie sich seinen Namen vor, immer wieder sah sie sein von der Krankheit gezeichnetes Gesicht vor sich. »Mein Geliebter, wegen mir bist du krank geworden!« rief sie ihm in ihrem Innern zu. »Wenn dir etwas zustößt, dann will auch ich nicht mehr leben ... Ich gebe aber nicht auf, bevor ich dich noch einmal gesehen, den letzten Krug Wein mit dir getrunken und den letzten

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