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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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gesprochen hatte, zog die größere Gestalt eine Lederpeitsche aus dem Gürtel und ließ sie auf Meiniangs Rücken niedersausen. Meiniang schrie entsetzt: »Mama!« und schon schlug der Mann das zweite Mal zu, diesmal auf ihr Hinterteil. Die kleinere Gestalt, die häßliche Frau des Präfekten, drehte sich um und ging ungelenk davon. Der dritte Peitschenhieb traf Meininang noch mit voller Wucht, der vierte jedoch fiel viel schon schwächer aus und tat gar nicht mehr weh. Mit jedem Hieb wurden die Schläge schwächer, so schwach, daß er auch genauso gut hätte gegen die Wand schlagen können. Meiniang wurde klar, daß sie es hier mit einem gutherzigen Menschen zu tun hatte. Sie hörte aber nicht auf, übertreiben laut zu schreien, um das Schauspiel echt aussehen zu lassen. Zuletzt zog der Mann sie bis zum östlichen Tor, schob den Riegel auf und warf sie auf die Straße. Wie paralysiert fand sie sich auf der Gasse an der Ostseite des Yamen wieder.

7.
    Sun Meiniang lag ausgestreckt auf dem Kang. Halb kochte sie vor Wut über dieses herzlose, gemeine Weib, halb brach es ihr das Herz, wenn sie an ihren kranken Geliebten dachte. Und sie war wütend auf sich selbst, weil es ihr an Rückgrat fehlte. Sie biß sich in ihrer Selbstanklage den Arm blutig, aber es nutzte nichts: Das schöne und noble Antlitz Qian Dings stand wie ein Vorwurf vor ihren Augen.
    Da tauchte Chunsheng bei ihr auf. Sie faßte ihn wie einen lieben Verwandten am Arm und fragte mit tränenerstickter Stimme: »Chunsheng, lieber Freund, wie geht es Seiner Exzellenz?«
    Als Chunsheng sah, in welchen Zustand sie war, konnte er ein Gefühl der Rührung nicht unterdrücken. Mit einem Blick in den Hof, wo Xiaojia gerade einem Hund die Haut abzog, sagte er leise: »Sein Fieber ist zurückgegangen, aber er scheint geistig verwirrt zu sein, erregt, hat keinen Appetit und wird jeden Tag dünner. Wenn das so weitergeht, verhungert er.«
    »Exzellenz!« Meiniang schluchzte auf.
    »Die gnädige Frau bittet dich, ins Yamen zu kommen und Hundefleisch und Wein mitzubringen, damit Seine Exzellenz seinen Appetit und seinen Lebensmut wiedererlangt«, sagte Chunsheng lächelnd.
    »Die Gnädige Frau? Erzähle mir nichts von der gnädigen Frau«, sagte sie zähneknirschend. »Der giftigste Skorpion der Welt ist gütiger als eure gnädige Frau!«
    »Große Schwester Sun, ich muß doch sehr bitten. Die gnädige Frau ist eine gebildete und feinfühlige Person von großer Güte, wie kannst du so über sie reden?«
    »Pah!« schimpfte sie. »Gütig? Ihr Herz ist so schwarz, als hätte es zwanzig Jahre in einem Färbebottich gelegen! Ein Tropfen von ihrem Blut könnte ein Pferd töten!«
    »Was hat die gnädige Frau dir denn getan?« fragte Chunsheng freundlich. »Es kommt mir so vor, als wäre ein Dieb wütend auf die Bestohlenen.«
    »Scher dich zum Teufel«, sagte Meiniang. »Von heute an will ich mit euch Pack aus dem Yamen nichts mehr zu tun haben.«
    »Denkst du denn gar nicht mehr an Seine Exzellenz?« fragte Chunsheng grinsend. »Und wenn du nicht mehr an Seine Exzellenz denken willst, dann aber vielleicht an seinen Zopf? Und wenn nicht an seinen Zopf, dann vielleicht an seinen Bart? Und wenn nicht an seinen Bart, dann vielleicht ...«
    »Laß mich in Frieden! Und wenn er stirbt, euer werter Herr Präfekt, was geht das mich an? Ich bin nur eine einfache Frau aus dem Volk.« Trotz ihres erbosten Tons rannen ihr die Tränen über das Gesicht.
    »Das kannst du einem anderen erzählen, mir machst du nichts vor!« sagte Chunsheng. »Du und Seine Exzellenz, ihr seid doch wie ein Mensch, da bricht kein Knochen, ohne daß das Fleisch zuckt, und kein Ohr wird ausgerissen, ohne daß sich die Wange verzieht. Also hör auf, dich zu sträuben, mache dich schön und komm mit mir mit!«
    »Solange eure gnädige Frau dort ist, setze ich keinen Fuß mehr ins Yamen.«
    »Sun Meiniang, diese Anweisung kommt von der gnädigen Frau persönlich. Sie ist es, die dich bittet zu kom-men.«
    »Chunsheng, mach dich nicht lustig über mich, als wäre ich ein alter Affe. Ich bin dermaßen gedemütigt worden ...«
    »Wenn man dich so reden hört, könnte man meinen, du seist sehr ungerecht behandelt worden?«
    »Weißt du wirklich von nichts oder tust du nur so?« fragte Meiniang verächtlich. »Man hat mich in eurem Yamen verprügelt!«
    »Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein«, sagte Chunsheng überrascht. »Wer im Yamen würde es wagen, dich zu schlagen? In den Augen sämtlicher Bediensteter

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