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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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oder es vorziehen sollte, zu Hause Hundefleisch zu kochen. Während ich noch überlegte, kam Xiaojia, dieser Tölpel, mit großen Schritten auf mich zugerannt. Mit hochrotem Gesicht, runden, hervorstehenden Augen und zitternden Lippen stammelte er: »Mein Vater, mein Vater ist zurückgekehrt ...«
    Merkwürdig, sehr merkwürdig. So ein Schwiegervater fällt doch nicht einfach vom Himmel, dachte ich. Laut sagte ich: »Ist dein Vater nicht längst tot? Hast du nicht seit über zwanzig Jahren nichts mehr von ihm gehört?
    Schweißgebadet stammelte mein Mann weiter: »Er ist zurück, er ist wirklich zurückgekehrt ...«

6.
    Ich lief mit Xiaojia nach Hause. Auf dem Weg fragte ich atemlos, wie sich das Ganze denn zugetragen habe. Möglicherweise wollte uns irgendein armer Tropf nur etwas vorgaukeln. Ich sah mir wohl besser einmal an, was für ein dahergelaufener Dämon er war. Wenn es stimmte, gut; wenn er mich aber betrügen wollte, würde ich den Schürhaken nehmen und ihm die Beine brechen, und anschließend würde ich ihn zu meinem Patenonkel ins Yamen schicken, wo sie ihm erst einmal zweihundert Stockhiebe versetzen würden. Wenn ihm dann die Haut in Fetzen vom Leib hing und er sich vor Angst in die Hose machte, würde ich sehen, ob er sich immer noch jemandes Vater nannte.
    Jeden, den wir unterwegs trafen, packte Xiaojia am Ärmel und sagte geheimnisvoll: »Mein Vater ist zurück!«
    Wenn die Leute dann etwas ratlos aussahen, legte er mit lauter Stimme nach: »Denkt nur, ich habe einen Vater!«
    Kurz bevor wir zu Hause eintrafen erblickte ich schon von weitem eine Pferdekutsche, die vor unserem Eingang hielt. Um sie herum stand eine Schar schaulustiger Nachbarn. Einige kleine Kinder mit Haarknoten auf dem Kopf rannten zwischen den Leuten hin und her. Die Kutsche wurde von einem kastanienfarbenen Hengst gezogen, stämmig wie ein Kerzenstumpen. Sie war mit einer dicken Schicht gelber Erde bedeckt  – dieser Mensch mußte einen weiten Weg hinter sich haben. Die Menge musterte mich vielsagend, ihre Augen funkelten wie die Irrlichter auf einem Friedhof.
    Frau Wu vom Gemischtwarenladen beglückwünschte mich heuchlerisch: »Glückwunsch, Glückwunsch! Den Seinen gibt's der Herr im Schlafe! Der Gott des Reichtums hat etwas übrig für die reichen und ehrenwerten Familien. Da hatten sie ohnehin schon immer ein gutes Leben und schon sendet ihnen der Himmel noch einen wohlhabenden Vater dazu. Die große Schwester Zhao hat einen fetten Fang gemacht, ganze Herden von Pferden und Maultieren warten auf sie! Welch ein Glück! Welche Freude!«
    Ich warf diesem Pißpott von Frauenzimmer einen verächtlichen Blick zu. »Tante Wu, was redest du da für einen ausgemachten Blödsinn? Wenn es in Eurer Familie an einem Vater mangelt, bitteschön, Ihr könnt den unseren gerne haben!
    Sie erwiderte höhnisch: »Das ist wohl nicht dein Ernst?«
    Ich sagte: »Natürlich. Wer ihn sich nicht nehmen will, der ist selber schuld!«
    Xiaojia unterbrach zornig das Gespräch: »Wer mir meinen Vater nehmen will, den bringe ich um!«
    Das blöde Pfannkuchengesicht der alten Tante Wu lief sofort rot an. Dieses auf üble Nachrede spezialisierte alte Schandmaul weiß, daß ich ein Verhältnis mit Seiner Exzellenz Qian habe. Ihr eifersüchtiges Herz ist wie ein Krug voll von reifem Essig, so sauer, daß es einem die Zahnwurzeln zernagt. Jetzt hatte sie von mir und meinem Mann genug gehört, wandte sich ab und ging mit beleidigter Miene ihrer Wege. Ich stieg die steinernen Stufen zu unserem Haus hinauf, drehte mich um und sagte: »Verehrte Nachbarn, wenn ihr etwas sehen wollt, dann kommt herein, wenn nicht, dann trollt euch und steht hier nicht herum und bietet Maulaffen feil!«
    Die Leute gingen beschämt davon. Ich wußte genau, daß sie mir mit süßen Worten zu schmeicheln versuchten, während sie hinter meinem Rücken über mich lästerten und mir wünschten, ich müßte mir meinen Lebensunterhalt mit Straßengesang verdienen. Vor diesem Pack kann man sein Gesicht nicht verlieren, und mit Höflichkeiten darf man sich auch nicht aufhalten.
    Als ich den Hof betrat, stieß ich einen Schreckensschrei aus. Welcher Gott des Himmels war das? Ich riß die Augen auf. Bei mir dachte ich: Werde jetzt bloß nicht schwach! Achte nur darauf, ob er wirklich der Vater ist oder nicht, und laß von Anfang an keinen Zweifel daran, wer hier das Sagen hat. Soll er sich gut überlegen, ob er in Zukunft vor mir den Tyrannen spielen will. In der Mitte des Hofes erblickte

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