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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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»Ich bitte Exzellenz Ma, für die Sicherheit der Dorfbevölkerung einzustehen. Haltet Knobel davon ab, von den Kanonen Gebrauch zu machen!«
    Mit diesen Worten galoppierte er auf seinem Pferd in Richtung des zerstörten Stadttores davon. Laut rief er: »Ich bin der Präfekt von Gaomi, ich bin ein Freund eures General Yue und habe eine wichtige Sache mit ihm zu besprechen ...!«

5.
    Er ritt im Galopp zum Tor hinein und wunderte sich, weil er auf keinerlei Widerstand stieß. In der Grube hinter dem Tor sah er ein gutes Dutzend deutscher Soldaten, die schrien und sich vergeblich mühten, herauszuklettern. Die Grube war etwa drei Meter tief und man hatte den Boden mit spitzen Bambus- und Eisenstäben präpariert. Einige der Soldaten waren von diesen aufgespießt worden, andere waren schwer verletzt und zappelten wie Frösche auf jungen Bambusschößlingen. Zudem drang ein pestilenzartiger Gestank aus der Grube, weil Sun Bing offenbar einen Haufen Exkremente hatte hineinschütten lassen. Dem Präfekten kam plötzlich ein Vorschlag in den Sinn, den ein hoher Provinzbeamter vor einigen Jahrzehnten, als die Ausländer begannen, nach China einzudringen, mit großem Ernst Seiner Majestät dem Kaiser gemacht hatte. Ausländer seien sehr reinlich, hatte er dem Kaiser versichert, und das, was sie am meisten verabscheuten, seien Exkremente. Es würde ausreichen, wenn man jeden chinesischen Soldaten mit einem Eimer Fäkalien auf dem Rücken ausstattete, den sie in der Schlacht über den Feind ausschütten würden. Die Feinde würden einen riesigen Ekel empfinden, sich übergeben und die Nasen zuhalten, und sich ohne zu kämpfen zurückziehen. Man hatte sich damals erzählt, daß Kaiser Xianfeng ein großer Anhänger dieser Taktik gewesen sei. Seine Frau hatte ihm diese Anekdote berichtet, und er hatte sich köstlich darüber amüsiert. Wer hätte gedacht, daß auch Sun Bing sie sich zunutze machen würde? Aber genaugenommen lag es nahe. Denn die Methode entsprach dem Geist mancher Katzenoper, bei der man nicht wußte, ob man lachen oder weinen sollte. Ihm war bereits nach der absurden Farce, die Sun Bing am vorigen Tag aus der geplanten Geiselübergabe gemacht hatte, klargeworden, welcher Natur seine Taktik war. Sicherlich war etwas Kindliches daran, aber schließlich hatte er damit Erfolg gehabt, und allein das zählte.
    Als er an der Grube vorbeiritt, bemerkte Qian Ding auch die zahlreichen schwerverwundeten Kämpfer auf den Verteidigungsanlagen. Die Eisentöpfe, in denen die Reissuppe gekocht hatte, waren nur noch Staub und ihr Inhalt hatte sich mit dem Blut der Rebellen vermischt. Diejenigen, die noch am Leben waren, stießen heftige Schmerzensschreie aus. Auf der Straße, die er noch vor kurzem entlanggeschritten war, schwirrten Aufständische mit roten Turbanen, Frauen und Kinder durcheinander wie kopflose Hühner. Das Dorf ist längst zerstört, sagte sich der Präfekt, es wäre ein leichtes für die deutschen Soldaten, hier einzudringen und kurzen Prozeß zu machen. Diese Feststellung bestätigte ihn in seiner Entscheidung, Sun Bing zu opfern, um das Leben unzähliger Menschen zu retten. Nur müßte er diesen auf irgendeine Weise dazu bewegen, mit ihm zu kommen, und wenn ihm das nicht mit Vernunft gelang, dann mußte er es mit Gewalt versuchen. Als Ma Longbiao ihm seine Pistole geben wollte, war er sicher gewesen, den Anführer in seine Gewalt bekommen zu können. Auch jetzt noch fühlte er sich als Held, und es war ihm, als hörte er neben sich laute Trommeln zu seinen Ehren erschallen. Er galoppierte auf die Strohhütte in der Mitte des Ortes zu. Er wußte, daß er Sun Bing dort finden würde.
    Vor dem gemauerten Podium sah er einige hundert Boxer-Rebellen, die gerade ihren Unsterblichkeitstrank zu sich nahmen. Jeder von ihnen hatte eine große Schale in den Händen, in der sich in Wasser aufgelöste Asche befand. Der von ihm Gesuchte stand in theatralischer Haltung auf der Bühne und sang seinen Hokuspokus. Von seinem Kampfgenossen Sun Wukong, alias Schwurbruder der Boxer für Frieden und Gerechtigkeit aus Caozhou, war nichts mehr zu sehen, nur der zweite Kampfgenosse Zhu Bajie stand neben Sun Bing auf der Bühne und untermalte die Beschwörungen seines Generals mit Kunststückchen, die er mit der Harke vollführte. Der Präfekt ließ sich von seinem Sattel herab, bestieg geradewegs die Bühne, stieß mit einem Fußtritt den darauf errichteten Altar um. Laut sagte er: »Sun Bing, das Blut deiner Leute fließt in

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