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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Chinesen.
    Doch die Situation entwickelte sich ganz anders, als er erwartet hatte. Die deutschen Soldaten, die in das offene Tor geschwärmt waren, waren nicht mehr zu sehen, Rauch und Pulverdampf stiegen aus den Mauern auf und man hörte laute Schreie. Der Präfekt begriff schnell, daß der mit allen Wassern gewaschene Sun Bing hinter dem Tor offenbar eine tiefe Grube hatte graben lassen. Er sah zu Knobel hinüber  – aus dem Gesicht des Deutschen war die Farbe gewichen. Knobel ließ rasch zum Rückzug blasen. Qian Ding verstand, daß dem Kommandanten das Leben der deutschen Soldaten mehr galt als die Durchführung seines Plans. Den Sieg erringen, ohne einen einzigen Mann einzubüßen, das war seine Devise. Nun würde er sicher die schweren Kanonengeschütze auffahren lassen. Die Anzahl der Geschosse, die hinter ihnen bereitlagen, würde genügen, um das ganze Dorf in Schutt und Asche zu legen. Es bedurfte keiner großen Phantasie, um zu wissen, daß die Deutschen aus dieser Schlacht als Sieger hervorgehen würden. Und schon hörte Qian Ding, daß Knobel dem Truppenführer der Artillerie einen Befehl zurief. In diesem Moment hatte der Präfekt die Idee für einen gewagten Plan. Er sagte zu dem Dolmetscher, der hinter Knobel stand: »Sagen Sie Knobel, daß er die Kanonen nicht abfeuern lassen soll, ich habe ihm etwas Wichtiges zu sagen.«
    Nachdem der Dolmetscher diese Worte übermittelt hatte, ließ Knobel tatsächlich die Operation anhalten. Die leuchtendgrünen Augen des deutschen Kommandanten fixierten Qian Ding, und auch der völlig deprimiert wirkende Ma Longbiao starrte ihn an.
    Der Präfekt sagte: »Herr Generalgouverneur, ein chinesisches Sprichwort sagt: ›Um die Banditen zu fangen, muß man zuerst den Banditenkönig fangen‹. Die kleinen Leute in diesem Dorf sind von Sun Bing verhext worden, er ist es, der sie zum Widerstand gegen eure Truppen und die des Kaisers angestiftet hat. Er trägt für all dies die Verantwortung. Fangt ihn und belegt ihn mit einer schweren Strafe. Sie wird die anderen abschrecken, und niemand wird es mehr wagen, den Eisenbahnbau zu behindern. Damit hätten Exzellenz Euer Ziel erreicht. Ich hatte immer den Eindruck, daß Ihr nach China gekommen seid, um Euch hier zu bereichern und nicht, um gegen unser Volk Krieg zu führen. Falls Exzellenz sich meinen Worten nicht anschließen können, bin ich gerne bereit, mich selbst in das Dorf hineinzubegeben und Sun Bing davon zu überzeugen, daß er sich ergibt.«
    »Ist es nicht vielmehr so, daß du dort hineingehen willst, um mit Sun Bing seine weitere Vorgehensweise zu besprechen?« fragte Knobel, nachdem ihm der Dolmetscher übersetzt hatte.
    »Ich bin ein von der Großen Qing-Dynastie bestallter Beamter des Hofes, meine Familie befindet sich im Yamen«, entgegnete Qian Ding. »Wenn ich dort hineingehe und mein Leben riskiere, so deshalb, weil ich nicht will, daß die Soldaten Eurer Exzellenz Schaden nehmen. Eure Soldaten haben einen weiten Weg hinter sich und jeder einzelne davon ist wertvoll. Wenn allzu viele davon verletzt oder getötet werden, wird Euch das Euer Kaiser wohl kaum danken.«
    »Exzellenz Ma Longbiao soll sich für Euch verbürgen«, übermittelte der Dolmetscher.
    »Qian, werter Bruder, ich verstehe, was du vorhast«, sagte Ma Longbiao zögernd, »aber wenn dieses rebellische Volk ...«
    »Exzellenz Ma, meine Chancen stehen fünfzig zu fünfzig.« Qian Ding verlieh seiner Stimme Pathos. »Ich kann den Gedanken, daß eine blühende Gemeinde meiner Präfektur auf diese Weise dem Erdboden gleichgemacht werden soll, einfach nicht ertragen. Und noch weniger will ich zulassen, daß einfache, unschuldige Menschen sinnlos niedergemetzelt werden.«
    »Wenn es Exzellenz wirklich gelingen sollte, Sun Bing zum Aufgeben zu bewegen und Ihr damit unnötige Verluste in unserer Armee vermeidet und das Leben unschuldiger Bauern rettet, werde ich ganz gewiß bei Seiner Exzellenz Yuan Eure Verdienste preisen«, sagte Ma Longjiao mit großem Ernst.
    »In Anbetracht der gegenwärtigen Lage geht es mir nicht darum, Anerkennung für meine Verdienste zu finden, sondern darum, keine Fehler mehr zu machen«, fügte Qian Ding an. »Ich bitte Exzellenz, Knobel davon zu überzeugen, seine Streitkräfte zurückzuziehen, bis ich mit Sun Bing dort herauskomme.«
    »Ich übernehme die Verantwortung.« Ma Longbiao zog eine funkelnagelneue Pistole aus seiner Jacke und hielt sie dem Präfekten hin. »Nimm die, für alle Fälle.«
    Qian Ding winkte ab.

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