Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)
Maohu, und begleiten damit die vielstimmige Melodie.
Mit dem ersten Schlag deines Stabes fällt der Taiheng-Berg und füllt die Jiaozhou-Bucht.
Mit dem zweiten Schlag ist die Präfektur Caizhou dahin,
Der Tiger mit der weißen Stirn ist zu Tode erschrocken –
Mit dem dritten Schlag fallen die Stützpfeiler des Himmels,
Der Ofen der Acht Trigramme des Heiligen Laozi gerät ins Wanken.
miau, miau ...
Der wunderschöne und gefühlvolle Gesang zieht einen sofort in seinen Bann. Viele Soldaten stammen selbst aus Dongbei, sie haben mehr Bezug zur Katzenoper und sind ihr mehr verfallen als ich, der ich aus einer anderen Provinz stamme. Sun Meiniang hat mir zwar zahlreiche Arien dieser Oper beigebracht, aber natürlich vermögen mich diese Melodien nicht so sehr zu Tränen zu rühren wie die Leute von Gaomi. Ich merke sofort, daß dieser Auftritt außergewöhnlich ist. Der Darsteller der Katze der Gerechtigkeit ist ganz zweifellos ein großer Meister dieser Kunst. Aus seiner Stimme hört man diese kupferne Rauheit heraus, die so typisch für die Katzenoper ist; er hat die Fähigkeit, den höchsten Ton besonders lang zu halten und vibrieren zu lassen. Nach Chang Mao hat nur Sun Bing diese einzigartige Gesangstechnik beherrscht, die man »magische Blume« nennt. Als Sun Bing die Schauspielerei aufgab, sprach Meiniang davon, daß diese Kunst nun auf immer verloren sei. Wer hätte gedacht, daß diese Katze der Gerechtigkeit, wo auch immer sie her sei, Sun Bing ebenbürtig ist? Ich kann nicht umhin, anzuerkennen, daß seine Darbietung unvergleichlich ist. Eine solche Darbietung braucht Zuhörer, die ihrer würdig sind und sie zu schätzen wissen. Die Bediensteten und Soldaten des Yamen, inklusive meines stets einen kühlen Kopf bewahrenden Liu Pu, befinden sich in einem Zustand der Entrückung. Ihre Augen glänzen, sie lauschen mit offenen Mündern und haben offenbar alles um sich herum vergessen. Es fehlt nicht viel, und sie werden anfangen, laut in das Miauen dieser Katzen einzustimmen, sich womöglich auf dem Boden winden, auf die Mauern springen und auf die Bäume klettern, und dieser zum Töten gedachte Hinrichtungsplatz wird sich in ein Paradies der jaulenden Katzen und tanzenden Tiere aller Arten verwandeln. Ich bin am Ende meines Lateins, ich habe keine Ahnung, wohin das alles führen wird.
Dann muß ich feststellen, daß auch die Wachmänner auf der Plattform ganz von der allgemeinen Hysterie gelähmt sind, sie wirken wie Marionetten. Sun Meiniang, am Eingang der Hütte stehend, singt schon mit und selbst Zhao Xiaojia ist ganz außer sich vor Freude. Am liebsten käme er herübergelaufen, aber sein Vater hält ihn am Ärmel fest. Die lange Abwesenheit von der Heimat durch den Dienst in der Hauptstadt verhindert, daß der alte Zhao sich noch vom Geist der Katzenoper mitreißen läßt. Er behält als einziger einen kühlen Kopf. Niemals vergißt er die große Verantwortung, die auf seinen Schultern lastet. Und schließlich Sun Bing: Sein Gesicht ist hinter dem Vorhang aus Gaze verborgen, aber seine Stimme – diese Stimme! Wenn man sie hört, weiß man nicht mehr, ob er lacht oder weint.
Die Katze der Gerechtigkeit begleitet ihren Gesang mit einem geisterhaften, berückenden Tanz. Die Ärmel ihres Gewands wirbeln wie weiße Wolken um sie herum, ihr Katzenschwanz schlägt den Boden wie ein Taktstock. Niemand kann sich seinem Bann entziehen. Ganz selbstverständlich steigt er die Stufen zur Bühne hinauf. Die anderen Katzen folgen ihm. Eine grandiose Darbietung beginnt.
7.
Mit einer Katze hat alles angefangen. Während die Katzenkostüme über die Bühne wirbeln und vor der Bühne die Zuhörer in den Gesang mit einstimmen, muß ich unweigerlich an meine erste Begegnung mit Sun Meiniang denken. An jenem Tag befand ich mich auf dem Rückweg von Lande, wo wir eine Bande Glücksspieler ausgehoben hatten, und meine kleine Sänfte wurde über die Hauptstraße getragen. Es war ein typischer Spätfrühlingstag, es fiel feiner Nieselregen und die Dämmerung brach früh ein. Die Läden zu beiden Seiten der Straßen hatten bereits ihre Verschläge dicht gemacht, weißglänzende Regenpfützen standen auf dem blauen Pflaster. Kein Mensch war auf der Straße, nur die Schritte der Sänftenträger und das Prasseln des Regens unterbrachen die Stille. Leicht frierend saß ich in der Sänfte, innerlich trieb mich eine unbestimmte Unruhe um. Ich hatte noch das Quaken der Frösche am Teich außerhalb der Stadt in den Ohren, sah
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