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Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Titel: Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ritter
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Handbremsengeräusch. Knarks.
    »Ich sollte vielleicht noch dazu sagen, dass ich sie vorhin spontan eingeladen habe«, sagt Herr Müller.
    Jetzt wäre ich gerne eine Comicfigur, deren Kopf sich in einen dampfenden, pfeifenden Teekessel verwandelt, wenn sie sich aufregt. Momentan würde es sehr laut pfeifen. Und der Druck würde den Deckel sehr hoch schleudern. Ich fühle mich schamlos über- und hintergangen.
    »Hallo«, ruft Etienne aus der Dunkelheit. »Wir haben Kekse mitgebracht.«
    »Ich freu mich so auf die Heidi«, sagt Frau Oberhaid.

    Freitag, 0.00
    »… soll er leben, hoch soll er leben. Dreimal hoooooch!«
    »Hoch!«, ruft Katja.
    »Hoch!«, rufen Heidi Klum und Günther Jauch.
    »Hoch!«, rufen wir alle zusammen und klatschen ausgelassen. Etienne wird achtzehn. Das hatte mir Herr Müller natürlich auch verschwiegen. Obwohl ich es von Etiennes Lohnsteuerkarte her hätte wissen müssen, aber ich hatte anderes im Kopf, verständlicherweise.
    » ETCHEEEEEN !«, kreischt Frau Oberhaid und stürmt auf ihren armen, hilflosen, erwachsenen Jungen zu. Sie wird ihn entweder mit einem Haps fressen oder unter sich begraben. Diese Bewegungsenergie kann Etienne mit seinem Pommeskörper niemals abfangen. Es ist wie beim Kampf Yokozuna gegen 1-2-3-Kid, beim Wrestlingmatch 1994 in San Diego. Wenn ich mich recht erinnere, hat Yokozuna erwartungsgemäß gewonnen.
    Überraschung! Es geht gut. Frau Oberhaid hebt Etienne aus der Vorwärtsbewegung heraus hoch, schwenkt ihn einmal im Kreis und schmatzt dabei auf alle seine verfügbaren Wangen. Kein Bodyslam zum Abschluss. Nur ein derangiert wirkender Achtzehnjähriger, der sich gleich im Anschluss einer ganz anderen Herausforderung gegenübersieht.
    Heidi Klum ist die zweite Gratulantin. Und diesmal gibt es keine Luftküsschen, sondern eine handfeste Kuschelumarmung und sichtbare Rückstände auf seinen Backen. Den Lippenstiftspuren fällt es allerdings schwer, sich von seiner Haut abzuheben, denn Etiennes Gesicht geht in purer Röte auf. Wie neidisch ich auf ihn bin! Heidi hält ihn außerdem erstaunlich lange an sich gedrückt und flüstert ihm irgendwas ins Ohr. Es folgen Katja, Herr Müller, ich, Herr Jauch. Letzterer beschränkt sich auf einen formellen Händedruck mit Schulterklopfer und sagt, er werde gerne beratend tätig, sollte Etienne mit dem Gedanken spielen, sich nun ein Auto zuzulegen, er kenne sich da ein bisschen aus. Auch Frau Rottenbauer hat sich zu Etiennes Ehren aus ihrem Klappstuhl erhoben und gratuliert lange und ausschweifend.
    »In deinem Alter habe ich angefangen zu arbeiten«, schließt sie, »meine Erste war die Knef.«
    Kurz verliert sich ihr Blick in einem der Fackellichter, dann kehrt sie wieder in die Gegenwart zurück. »Auch aus dir kann noch was Großes werden.« Sie kneift ihm in die Wange.
    »Darf ich jetzt auch mal was sagen?«, sagt Etienne, als endlich alle von ihm abgerückt sind. Niemand widerspricht, logisch.
    »Als Erstes wünsche ich mir, dass sich Herr Wildensorg und Herr Müller wieder vertragen. Diese Angiftereien halte ich gar nicht aus.«
    »Dieses Anliegen unterstütze ich vehement«, fügt Herr Jauch ungefragt an.
    Tatsächlich war ich die letzte Stunde über ein bisschen patzig zu Herrn Müller. Aus gutem Grund, will ich meinen. Er hat mich über Wochen hinweg angelogen. Die Ursprünge seiner Entführungsidee hatte ich nie hinterfragt, das war wirklich ein böses Erwachen vorhin. Und da ich nicht der Schmollertyp bin, gehe ich in die Offensive. Ich konnte einfach nicht anders, als ihm seine Unehrlichkeit immer wieder vorzuhalten. Andere Waffen standen mir nicht zur Verfügung. Mein Herr-Müller-Gedisse war zwar sehr kindisch, aber angebracht. Ich weiß noch immer nicht sehr viel mehr über die Oberhaids, ihre Erfahrungen mit Entführungen und deren Weitergabe an Herrn Müller. Er und ich hatten nach ihrem Eintreffen keine Gelegenheit mehr, unter vier Augen zu reden.
    »Na los, geben Sie sich die Hand!«, sagt Herr Jauch, und Heidi Klum startet einen Versuch, rhythmisch zu klatschen, um uns zu motivieren. Frau Rottenbauer würgt sie glücklicherweise schnell mit einer Handbewegung und der Bemerkung »Wir sind hier alle erwachsene Leute« ab.
    Etienne grinst.
    »Genau, wir sind alle erwachsen«, sage ich. »Und deswegen will ich jetzt die ganze Wahrheit wissen. Dann gebe ich ihm meinetwegen die Hand, und alles ist vergessen.«
    »Welche Wahrheit?«, fragt Herr Jauch und fällt geschmeidig in seine Rolle als Moderator. »Was geht

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