Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers
finden kann. Herr Jauch sitzt hinter dem Haus auf der Terrasse, in unserer neu geschaffenen Wohlfühl-Grill-Oase. So würde das auch Tine Wittler nennen, aber die hätte es nicht so gut hinbekommen. Er hat seinen Plattenspielerkoffer nach draußen geräumt und fungiert jetzt als DJ , weit hörbar. Das Gerät hat eine enorme Lautstärke für sein Alter. Im Moment läuft eine Originalaufnahme von Sammy Davis Junior, »Please Don’t Talk About Me When I’m Gone« lautet der Refrain.
»Das ist alles so schön geworden. Heidi wird aus dem Häuschen sein«, meint Katja. »Sitzt meine Frisur?«
»Da sind sie«, sage ich.
Herrn Müllers Autoschiff, der Subaru in Rot metallic, ist schon aus weiter Ferne ganz deutlich zu erkennen. Da bräuchte er nicht mal ständig die Lichthupe zu betätigen.
»Sie kommen, sie kommen, sie kommen«, sagt Katja und tippelt von einem Fuß auf den anderen.
»Sollen wir es Herrn Jauch sagen?«, kräht sie mit sich überschlagender Stimme. Sie wartet keine Antwort ab: » HERR JAHAUCH «, ruft sie, » SIE KOMMÄHN .«
Abrupt bricht die Musik ab. Und setzt einige Sekunden später ungleich lauter wieder ein. Frank Sinatra mit »Get Happy«. Das ist dann wohl das Willkommenslied. Herr Jauch holt aus der Rat-Pack-Collection wirklich alles raus. Man merkt, dass er mal beim Radio war.
Schon hat er das Haus durchquert und stellt sich über uns auf die Treppe.
»Schauen Sie mal, was ich gefunden habe«, sagt er und rollt Katjas Banner aus. »Ich glaube, das haben Sie vergessen aufzuhängen. Ich halte das mal.«
Katja freut sich augenscheinlich, ich verdrehe heimlich die Augen, Herr Jauch breitet die Arme und zwischen ihnen das Banner aus. Passt genau, als wäre seine Armlänge eigens dafür gemacht. Er hat auf die Schnelle eine Ergänzung aufgemalt, HALLO HEIDI & URSULA steht da nun. Na immerhin, das ist Gerechtigkeit, so begrüßt jeder seinen eigenen Star.
Der Subaru biegt auf den Hof ein und hält längsseitig direkt vor uns. Dass die Heckscheiben des Wagens so getönt sind, dass man von außen gar nicht hineinsehen kann, fällt mir dabei zum ersten Mal auf. Aber so ist das eben beim Empfang am roten Teppich. Hatte ich erwähnt, dass wir auf einem roten Teppich stehen? Haben wir im Keller gefunden. Vier mal zwei Meter, mit Fransen, natürlich gekämmt.
Die Fahrertür ist nicht getönt, es ist auch keine Überraschung, dass Herr Müller sie aufstößt und nicht gerade in feiner Chauffeursmanier aussteigt.
»Da sind wir«, sagt er. »Was ist das denn für ein Krach?«
»Sinatra«, sagt verteidigend Herr Jauch, dem sicher bald die Flügelarme wehtun werden.
Herr Müller öffnet die hintere Tür auf der Fahrerseite. Da sitzt Heidi Klum und lächelt so professionell überrascht, als würde sie zehn Kamerateams statt uns mit Blumensträußen vor sich sehen. Elegant steigt sie aus und geht direkt auf Katja zu.
»Ein tolles Kleid!«, schreit ihr Katja über die Musik hinweg entgegen.
»Das wäre doch nicht nötig gewesen«, sagt Heidi Klum und nimmt unaufgefordert den Blumenstrauß an sich. »Ich bin die Heidi.«
»Katja«, haucht Katja.
Sie geben sich Küsschen auf die Wangen, also, eher daneben, ohne sich richtig zu berühren.
Währenddessen hat sich Frau Rottenbauer auf der anderen Seite wohl selbst ihren Weg aus dem Wagen gebahnt und taucht neben Herrn Müller auf, der den Kofferraum geöffnet hat und irgendwas herausholt. Heidi Klum ist bei mir angekommen.
»Paul, was für ein niedliches Häuschen. Küsschen!«, sagt sie, beugt sich zu mir nach vorn und verpasst der Luft links und rechts von meinem Gesicht einen Kuss. Ich bin nicht geistesgegenwärtig genug, um ebenfalls Kussgeräusche ins Nichts zu produzieren. Aber jetzt weiß ich immerhin, wie man das in der feinen Gesellschaft handhabt. Da ist Heidi Klum auch schon mit mir durch, wirft die Arme nach oben und ruft »Günther, what a pleasure!«
Herr Jauch bleibt eher steif, weiß die Begrüßungsküsschen aber gekonnt zu erwidern, ohne sein Banner sinken zu lassen.
»Frau Rottenbauer«, sage ich mahnend und schüttle den Kopf, als ich sehe, was Herr Müller aus dem Kofferraum hervorgezaubert hat: ihren Klappstuhl.
»Wir haben hier einen ganzen Haufen gemütlicher Stühle.«
»Paul, Sie sehen mich seit Jahren auf diesem Stuhl sitzen. Glauben Sie etwa, der ist ungemütlich? Gehen wir rein, ich habe Hunger!«
Frau Rottenbauer ist so herrlich pragmatisch. An Günther Jauch kommt sie allerdings nicht so ohne Weiteres vorbei. Er
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