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Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Titel: Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ritter
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des Waldes erkennen, sonst eigentlich nichts, was weiter als fünfzig Zentimeter entfernt liegt. Uns gegenseitig sehen wir, in Grautönen.
    »Es gibt da diverse Theorien, wie die allerersten Märchen entstanden sein könnten. Verwunderlich ist nämlich, dass sich Märchen und die in ihnen vorkommenden Erzählmotive ähneln oder gar identisch sind, obwohl ihr Ursprung jeweils für völlig verschiedene Regionen der Welt belegt ist. Verstehst du?«
    »Nein.«
    »Entweder hat es mit der Evolution zu tun, und die Menschen, die durch Meere oder unüberwindbare Gebirge getrennt waren, haben zur etwa gleichen Zeit die gleichen kognitiven Fähigkeiten entwickelt und sich getrennt voneinander recht einfache Erzählstrukturen ausgedacht. Oder aber: Es gibt nur das eine Ursprungsmärchen, und es hat seine Zeit gedauert, bis es weitererzählt wurde, kam dann aber irgendwann auf der anderen Seite des Meeres an. Die Leute dort lügen einfach, wenn sie behaupten, sie hätten genau diesen Stoff selbst erfunden. Was hältst du für wahrscheinlicher?«
    »Paul, bist du schon ein bisschen sehr betrunken? Ich glaub nicht, dass wir jetzt über Märchen reden sollten. Frau Rottenbauer erzählt grade sehr viel spannendere, echte Geschichten. Gehen wir lieber wieder nach hinten.«
    Er hat noch überhaupt nichts begriffen. Er wirkt unerschütterlich, allerdings nur dank seiner grenzenlosen Ignoranz.
    »Nein, wir bleiben hier. Was ist wahrscheinlicher?«
    »Natürlich, dass sich nur einer das Märchen ausgedacht hat und es weitererzählt wurde. Was hab ich gewonnen?«
    »Von wem wusstest du, dass Frau Rottenbauer seit Jahren Promi-Entführungen durchzieht, bevor du mir vorgeschlagen hast, Jauch zu entführen?«
    Da wird er plötzlich ganz still. Er hat begriffen. Das war aber auch ein guter Kunstgriff von mir mit dem Umweg über die Märchen! Rhetorisch eins a, muss ich schon sagen. Ich habe ihn durch meine Worte in die Ecke gedrängt, jetzt wirkt er plötzlich sehr, sehr klein.
    »Also ehrlich gesagt«, stammelt er, »das wusste ich bis vorhin wirklich nicht.«
    Ich werde ernst. »Es kann dir nicht einfach selbst eingefallen sein, Herr Müller! Die Ausformung des Ganzen, den großen Plan, alle Details, das haben natürlich wir zusammen ausgeheckt. Aber die Grundidee – wir entführen einen Prominenten … Wenn das andauernd um einen herum passiert, dann kann man das doch nicht Zufall nennen.«
    »Ja eben«, sagt er.
    »Wie ja eben ?«
    »Ich hatte keine Ahnung von der Rottenbauer. Aber sie ist wohl nicht die Einzige.«
    »Was? Wer …«
    Irgendetwas blendet mich. Ich sehe Herrn Müller nicht mal mehr im Umriss. Dafür sehe ich einen Lichtkreis, der weit weg am Waldrand auftaucht. Nein, zwei Lichtkreise, ein Auto mit Fernlicht. Wer um diese Zeit in diese Richtung fährt, der kann nur ein Ziel haben: unseren Bauernhof.
    »Wer ist das denn?«, frage ich.
    »Das ist aber ein lustiger Zufall«, sagt Herr Müller.
    Ich verstehe gar nichts mehr.
    »Was willst du mir damit sagen?«
    »Ich denke mal, dass die Antwort auf deine beiden Fragen dieselbe ist. Und sie kommen direkt auf uns zu.«
    »Sie?«
    »Und noch eine Frage obendrauf«, fährt der plötzlich wiedererstarkte Herr Müller fort. »Hast du dich eigentlich mal gefragt, wer die Strumpfträger-Homepage designt hat? Auch dieselbe Antwort.«
    Wie konnte die Oberhand so schnell zu Herrn Müller wechseln? Irgendwie fühle ich mich plötzlich ein bisschen außen vor. Was gibt es denn noch, wovon ich keine Ahnung habe? Was hat er alles hinter meinem Rücken eingefädelt?
    »Herr Müller, wenn du mir nicht sofort sagst, wer da im Auto sitzt, dann werde ich dich sehr hart treten.«
    »Findest du es etwa nicht spannend?«
    » NEIN !«
    »Sie brauchen nur noch dreißig Sekunden, dann sind sie hier.«
    Ich trete ganz nah an ihn heran. Jetzt sehe ich ihn auch wieder. Würden wir beobachtet, man könnte uns aus der Ferne für ein Liebespaar halten. Aber ein Liebespaar sagt zueinander nicht Sachen wie: »Sag mir sofort den Namen, oder ich ramme dir mein Knie in die Eier. Sofort!«
    »Frau Oberhaid.«
    Ich schnelle zurück.
    »Frau Oberhaid hat die Homepage programmiert?«
    »Nein, das war Etienne. Der ist auch mit von der Partie.«
    Stünden wir nicht unter einem fast sternlosen Sternenhimmel in einer angenehm milden Sommernacht, ich bräuchte dringend Luft. Das haut mich jetzt doch ein bisschen um.
    Schon hat der Wagen unseren Hof erreicht. Der Motor geht aus, die Handbremse macht ihr

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