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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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musste nur dem schmalen Korridor neben dem Haupteingang folgen. Als Dawn den Flur sah, verlangsamten sich ihre Schritte. Sie kam näher … und näher …
    Und dann lief sie einfach daran vorbei. Sie hatte die Medikamentenausgabe entdeckt, über der ein großes grünes Kreuz leuchtete. Dawn trat an den Tresen.
    »Guten Morgen, Oberschwester!« Sally, die leitende Apothekerin, kam lächelnd heran. »Was führt Sie her?«
    Dawn zog den Umschlag mit den Ampullen aus ihrer Tasche. »Guten Morgen, Sally. Wir hatten Probleme mit dieser Charge Morphium.«

    »Wirklich? Was für Probleme?«
    »Es wirkt nicht. Es hat bei keinem unserer Patienten angeschlagen.«
    »Das ist aber seltsam.« Sally griff in den Umschlag und nahm eine der Ampullen in Augenschein. »Das ist sehr ungewöhnlich, gerade bei Morphium.«
    »Vielleicht sind die Ampullen beim Transport beschädigt worden?«
    »Aber das würde kaum die Wirkung …«
    »Wie auch immer«, unterbrach Dawn sie, »das Medikament wirkt nicht. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Ampullen aus dem Verkehr ziehen und uns so schnell wie möglich frische auf die Station schicken würden.«
    »Selbstverständlich, Oberschwester. Ich werde mich noch heute Vormittag darum kümmern.«
    Dawn ging, während die verblüffte Sally immer noch in den Umschlag starrte. Dawn verließ die Lobby, trat auf die Straße hinaus und lief den Berg hinunter.
    Sie hatte es nicht getan. Sie hatte Clive nicht bei Claudia angezeigt. Die Lavender Hill Police Station lag nur zwei Straßen entfernt, in der Latchmere Road. Dawn hatte vorgehabt, dorthin zu gehen und alles zu gestehen. Sie brauchte nicht mehr zu tun, als an der nächsten Kreuzung links abzubiegen.
    Was sie nicht tat. Sie lief geradeaus weiter, bis zur Bushaltestelle. Es war Viertel vor neun. Im Bus nach Silham Vale drängelten sich Jugendliche mit Krawatte und gestreiften Schuluniformen. Sie krakeelten herum, rammten einander mit ihren Rucksäcken. Dawn nahm auf dem Oberdeck in der ersten Reihe Platz und starrte auf die vorbeifliegenden Bäume und Häuserfronten.
    Sie hatte sich also entschieden und Clive nicht angezeigt. Wahrscheinlich hockte er seit dem Morgengrauen neben
dem Telefon und wartete auf einen Anruf aus dem Krankenhaus. Und am Nachmittag, wenn immer noch niemand angerufen hatte, würde er Bescheid wissen.
    Und dann? Sie steckten in einer Pattsituation. Keiner von beiden konnte dem anderen schaden, ohne die eigene Lage deutlich zu verschlechtern. Würde Clive heute Abend zur Nachtschicht erscheinen, als ob nichts geschehen wäre? Und wie sollte sie in dem Fall reagieren? Ihn behandeln wie immer? BeideAugen zudrücken, während er den üblichen Gang zur Männerumkleide antrat, ausgerüstet mit Morphiumampulle und Zahnarztbohrer?
    In Silham Vale stieg Dawn aus dem Bus. Sie lief an der Ladenzeile mit den kleinen Geschäften und Imbissen vorbei und bog in die Crocus Road ein. Sie war so tief in Gedanken versunken, dass sie erst direkt vor dem Haus Nummer 59 bemerkte, dass niemand sie am Gartentor erwartete. Keine feuchte Nase zwängte sich durch die Gitterstäbe, um sie zu begrüßen. Normalerweise stand Milly schon bereit, wenn sie das Haus erreichte; sie verriet sich durch ihre Schritte oder vielleicht auch durch ihren Geruch.
    »Milly?«
    Dawn kam fast nie zu so früher Stunde nach Hause. Wahrscheinlich lag Milly auf der Veranda und schlief noch. Oder ihre Arthritis machte ihr dermaßen zu schaffen, dass sie lieber auf ihrer Decke liegen blieb. Dawn öffnete das Gartentor und ging auf das Haus zu.
    Aber die Veranda und das Körbchen mit der zerwühlten Hundedecke waren leer. Die beiden vollen Wasserschüsseln standen vor der Tür. Die Hundekuchen lagen auf dem Rasen verstreut.
    »Milly?«
    Dawn blieb auf der Treppe stehen und schaute sich um. Sie konnte den gesamten Garten überblicken. Die ordentlich
getrimmte Buchsbaumhecke, das schmale Rasenstück, der Pfad aus schwarzbraunen Steinen, der bis ans Törchen führte. Das Tor war fest verschlossen gewesen. War Milly darübergesprungen? Das konnte nicht sein bei den Hüftproblemen, die sie plagten. Vielleicht hatte Will sie zu einem Spaziergang abgeholt, doch es schien unwahrscheinlich, dass er sich vorher nicht telefonisch anmeldete.
    Dawn überlegte immer noch, als ihr Blick an einer Stelle unter der Buchsbaumhecke hängen blieb. Die Sonne erhellte die ganze Länge die Hecke, abgesehen von einer einzigen dunklen Stelle am hinteren Ende. Ein dunkler Haufen am Boden, der an einen

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