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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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vertrauten Handgriffe beruhigten sie, verlangsamten ihren Puls und dämpften den Hass auf Clive. Hatte er sich an die schlafende Milly angeschlichen und ihr noch auf der Veranda das Messer ins Herz gerammt? Oder war sie ans Gartentor gekommen, schwanzwedelnd und hocherfreut, mitten in der Nacht Besuch zu bekommen? So oder so mussten ihre letzten Augenblicke furchtbar gewesen sein.
    Das Telefon klingelte. Dawn hob den Hörer ab.
    »Station sechs.«
    »Dawn!« Es war Francine. »Ich wusste, ich würde dich erwischen. Ich habe heute Nacht auch Dienst!«
    »Ach ja …«
    Francine unterbrach sie: »Hast du es schon gehört?«
    »Was?«
    »Clive. Dein Pfleger.«
    Eine eisige Kälte umschloss Dawns Herz.
    »Was ist mit ihm?«
    »Er liegt in der Unfallaufnahme«, sagte Francine. »Kam gerade als Notfall rein.«

    Am Ende der Station begann eine leere Infusionspumpe leise zu piepen.
    »Er hat sich eine Überdosis von irgendwas gespritzt«, erklärte Francine. »Sie haben ihn vor ein paar Stunden bewusstlos in einem Hinterhof in Stockwell gefunden. Angeblich ist er verprügelt und ausgeraubt worden. Er hatte keinen Ausweis dabei, aber die Pfleger in der Notaufnahme haben ihn sofort erkannt. Offenbar ist er ein Junkie. Hat Einstichstellen an den Armen und in den Leisten. Hast du davon gewusst?«
    »Nein.« Das war die einfachste Antwort.
    »Man könnte meinen, er müsste sich doch besser auskennen«, fuhr Francine fort. »Stattdessen spritzt er sich irgend so ein Zeug von einem schmierigen Straßendealer. Er wurde mit Krämpfen eingeliefert und musste intubiert werden, aber inzwischen ist er angeblich stabil. Ich dachte, du willst es bestimmt wissen, um ihn vielleicht da unten zu besuchen.«
    »Ja, natürlich. Danke, Francine.«
    Dawn legte auf. Die Infusionspumpe piepte immer noch. Erst Sekunden später gelang es Dawn, sich auf die Suche nach Pam zu machen. »Würden Sie bitte die Infusion für mich auswechseln?«, fragte sie. »Ich muss mal kurz in die Notaufnahme.«
    »Mach ich, Dawn.«
    Clive lag im Wiederbelebungsraum zwei unter einer grellweißen OP-Lampe. Sein T-Shirt war der Länge nach aufgeschnitten und hing in Fetzen herab. Riesige, runde EKG-Elektroden klebten an seinem Oberkörper. Aus seinem Mund ragte ein Schlauch, der an ein Beatmungsgerät angeschlossen war. Der Blasebalg bewegte sich synchron zu Clives Atmung auf und ab, pfff, pfff . Eine junge Assistenzärztin stand neben seinem Bett. Sie schien ein bisschen nervös
zu sein und versuchte, ihre Unsicherheit mit einer Extraportion Arroganz zu kaschieren.
    »Clive«, rief sie, »Clive, wachen Sie auf!«
    Clive hielt die Augen geschlossen, aber sein Unterkiefer schob sich trotz des Beatmungsschlauchs hin und her.
    »Der kommt wieder zu sich«, erklärte die Assistenzärztin zufrieden.
    »Hallo, Oberschwester«, sagte Graham, einer der Pfleger der Notaufnahme. »Wollen Sie Ihren Lieblingskollegen besuchen?« Er zwinkerte ihr zu.
    »Ja.«
    Clive musste sie gehört haben, denn plötzlich schlug er die Augen auf. Sein Blick wanderte zur Seite. Er entdeckte Dawn und starrte sie an.
    Graham sagte: »Nun sehen Sie sich das mal an! Sie sind kaum zwei Minuten hier und haben es schon geschafft, ihn aufzuwecken. Weiter so, Oberschwester. Sie können gern ein bisschen mit ihm reden. Ich muss ein paar Dinge besorgen, ich lasse Sie kurz mit ihm allein.«
    Zusammen mit der Assistenzärztin verließ er den Raum. Nun war Dawn mit Clive allein. Clive lag entblößt unter der OP-Leuchte wie ein Schauspieler im Rampenlicht. Dawn stand in der Kulisse, abseits des Lichtkegels. Aber sie wusste, dass er ihr Gesicht sehen konnte.
    »Du Wichser«, sagte sie leise. »Du Wichser. Du hättest sie nicht umbringen müssen.«
    Auf Clives Stirn erschienen einige Falten. Seine Augen huschten hin und her, so als suchte er jemanden.
    »Und, werden Sie sich um ihn kümmern, Oberschwester?« , fragte Graham beim Eintreten. »Sieh mal, Clive, heute Nacht bist du in guten Händen.«
    Clive schien etwas sagen zu wollen, aber der Beatmungsschlauch machte das Reden unmöglich. Sein strähniges Haar
lag auf dem Kissen wie Seetang. Auch seine Brust war voller Haare, wie Grasbüschel wucherten sie zwischen den Elektroden empor. Die Assistenzärztin kam zurück und fummelte umständlich an einer Spritze herum.
    »Tut mir leid, Oberschwester«, sagte sie, »ich muss ihm jetzt das Antibiotikum geben.«
    Sie hielt eine große Spritze mit einer gelblichen Flüssigkeit in die Höhe. Auf dem Kolben stand:

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