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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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Nachmittag hereingeschienen. Milly konnte unmöglich einen weiteren Tag lang in dieser Wärme liegen bleiben. Gleich morgen früh würde Dawn sich etwas überlegen. Bis dahin konnte sie nicht mehr tun, als Milly in ihre alte Hundedecke eingewickelt im Körbchen liegen zu lassen.

    Dawn kniete sich neben den Korb. An welcher Stelle hatte Clive das Morphium injiziert? Hatte er nach einer Vene gesucht oder ihr das Medikament einfach in den nächstbesten Muskel gespritzt? Wahrscheinlich war es nicht einfach gewesen; bestimmt war Milly herumgesprungen und der Nadel immer wieder entwischt. Wie hatte Clive das hinbekommen, mit seinen zittrigen Händen? Es kam ihr wirklich äußerst merkwürdig vor. Gestern Abend hatte er sie um Morphium angefleht; warum hatte er das wenige, das ihm geblieben war, einem Hund gespritzt?
    Erst da bemerkte sie den Fleck.
    Einen dunklen, klebrigen Fleck auf dem blauen Stoff. Er musste neu sein, denn sie hatte die Decke erst vor Kurzem gewaschen. Sie schlug die Decke zurück und untersuchte den Fleck. Er war dunkelbraun – nein, dunkelrot. Sie betrachtete Milly, konnte aber an ihrem schwarzen Fell nichts Ungewöhnliches entdecken. Dawn glitt mit beiden Händen an Millys Körper hinab. Sie wusste selbst nicht, wonach sie suchte. Da! Mitten auf Millys Brust. Ein Blutklumpen im Fell. Dawn betrachtete ihre Fingerspitzen. Sie waren rot. Dawn wandte sich wieder Milly zu, zog das dichte Fell mit beiden Händen auseinander, bis sie fündig wurde.
    Zwei Wunden – Stichwunden –, jeweils etwa zwei bis drei Zentimeter breit. Eine an der Seite, auf Höhe der Rippen. Eine zweite im Unterleib. Dawn konnte mit dem Finger hineinfahren, direkt durch Haut und Muskeln hindurch.
    Sie hob den Kopf und starrte auf die Waschmaschine, ohne etwas zu sehen. Nein, Clive hatte kein Morphium an einen Hund verschwendet. Für Milly hatte es keinen schnellen, gnädigen Tod gegeben. Sie hatte ein gewaltsames, schmerzhaftes Ende gefunden.
    Die leere Spritze war nur ein Symbol gewesen. Eine Botschaft, um sicherzugehen, dass Dawn es kapierte.

    Das ist nichts im Vergleich zu dem, was Sie erwartet, sollten Sie mich verpfeifen.
    Eine furchtbare Wut stieg in Dawn auf. Als es Zeit war zu gehen, wickelte sie Milly wieder in die Decke ein.
    »Mach’s gut, Milly.« Sie legte eine Hand auf Millys Kopf. »Wir sehen uns bald wieder.«
    Sie überzeugte sich davon, dass die Wasserschüssel voll war und in der Nähe des Körbchens stand. Daneben ein paar Hundekuchen auf dem Linoleumboden, so wie immer. Es wäre nicht richtig gewesen, Milly ohne alles zurückzulassen.
     
    Mit jedem Schritt, den sie in Richtung Krankenhaus machte, fühlte Dawn sich stärker und aggressiver. Als sie den Korridor zu ihrer Station durchquerte, schienen ihre Absätze Löcher in den Boden zu hacken. Wenn Clive da war … Wenn er es gewagt hatte, hier aufzutauchen … Wenn sie die Station betrat und hinter dem Schwesterntresen sein widerliches Gesicht sah, die zuckenden Insektenaugen … Dawn konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Ihre Ohren klingelten.
    Clive war nicht auf der Station. Als Dawn durch die Flügeltüren trat, konnte sie nur Pam entdecken, die am Schwesternschreibtisch saß und sich in aller Ruhe die Nägel feilte, und Mandy, die mit der Arbeit fertig war und sich eben die Strickjacke zuknöpfte.
    »Sieht so aus, als wären Sie heute Abend zu zweit«, sagte sie, als sie Dawn entdeckte. »Clive ist bislang nicht aufgetaucht.«
    »Bestimmt ist er krank«, sagte Pam und spreizte die Finger, um ihre Nägel zu begutachten.
    Mandy runzelte die Stirn. »Tja, in dem Fall hätte er ruhig anrufen können.«
    Dawn blieb vor dem Tresen stehen. Der Riemen ihrer Handtasche schnitt ihr in die Hand. Die Gedanken an Clive
waren so intensiv gewesen, dass sie meinte, ihn in diesem Augenblick sehen zu können; wie eine dunkle, bedrohliche Silhouette schien er neben Mandy in der Luft zu schweben.
    »Wir schaffen das schon.« Sie bemühte sich, gelassen zu klingen. »Pam und ich sind gestern prima zu zweit zurechtgekommen.«
    Eine himmlische Ruhe lag über der Station. Danielle und Lewis hatten endlich die richtigen Medikamente bekommen und waren auf dem Weg der Besserung. Auch bei den anderen Patienten schien die jeweilige Behandlung anzuschlagen. Doch als Pam ihre Patienten längst versorgt und sich in den Pausenraum verzogen hatte, war Dawn noch zwischen den Betten unterwegs, zupfte hier einen Vorhang zurecht und richtete da eine Infusionspumpe aus, denn die

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