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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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auf sie herunter. Sein Haar war zerzaust, sein Hemd zerknittert, aber seine Augen strahlten.
    Als er gegangen war, fiel Dawn in einen Tiefschlaf. Obwohl Will neben ihr gelegen hatte, hatte sie die ganze Nacht nicht schlafen können. Und nun driftete sie ins Reich der Träume ab, gerade so, als hätte nur seine Anwesenheit es verhindert. Das Krankenhaus stand in Flammen. Die Patienten riefen nach ihr, aber sie hatte im dichten Qualm die Orientierung verloren. Sie wollte die Flügeltüren zur Station aufstoßen, aber sie gaben nicht nach. Irgendetwas blockierte sie von innen. Dawn drückte mit aller Kraft dagegen, bis ihre Arme vor Anstrengung zitterten, doch die Türen bewegten sich keinen Millimeter. Die Menschen hinter der Tür hörten einer nach dem anderen zu schreien auf, und dann wurde es still. Schließlich öffnete sich die Flügeltür, und heraus traten Clive und Mrs. Walker. »Du kommst zu spät«, sagten sie und entblößten ihre schwarzen Zähne. »Viel zu spät. Alle sind tot.«
    Dawn wachte erschreckt auf. Das gleißend helle Sonnenlicht fiel auf die Blümchentapete. Dawn ließ sich auf die Kissen zurücksinken und von der Wärme beruhigen.
    Es ist vorbei , sagte sie zu sich selbst. Es ist an der Zeit, in die Zukunft zu blicken.
    Sie wusste, das Ganze würde noch eine Weile dauern. Aber heute war Montag, und ihre Ferien hatten begonnen. Kein
Pager. Keine Anrufe. Keine Angst vor E-Mails mit bedrohlichem Inhalt. Keine Büroarbeiten. All das würde Francine übernehmen, und Dawn könnte sich zum ersten Mal seit langer Zeit einmal richtig ausruhen. Sie würde sich auf ihre Erholung und ihre Zukunftspläne konzentrieren.
    Millys Körbchen stand immer noch unten neben der Waschmaschine, an derselben Stelle wie damals vor vielen Jahren, als sie als verschreckter Welpe ins Haus gekommen war. Dawn trug den Korb zum Müllcontainer in der Gasse hinter dem Haus. Auch Millys Hundekuchen, die Wasserschüsseln und die übrig gebliebenen Hundefutterdosen warf sie weg. Einzig Millys rotes Lederhalsband behielt sie. Sie schlug es in Seidenpapier ein, das sie noch von Weihnachten hatte, und sah sich nach einem geeigneten Aufbewahrungsort um. Die Kramschublade in der Küche schien ihr dafür gut geeignet zu sein. Dawn stopfte das Halsband hinein, direkt neben das sperrige Wiederbelebungsgerät, das immer noch auf einen Test wartete.
    Dann kochte sie sich einen starken Kaffee.
    In der Küche fand sie es zu still. Einzig der Boiler draußen vor der Hintertür machte Geräusche. Auf dem Linoleum neben der Waschmaschine zeichnete sich ein grauer Kreis ab, wo der Hundekorb gestanden hatte. Nach einer Weile würde das Sonnenlicht ihn verblassen lassen, aber noch war er deutlich zu sehen. Dawn stand auf und ging mit dem Kaffee ins Wohnzimmer. Doch als sie sich aufs Sofa gesetzt hatte, blieb ihr Blick an dem Lammfell vor dem Kamin hängen, in dessen Mitte sich noch der Abdruck von Millys Körper abzeichnete. Dawn stand wieder auf. Alte Gewohnheiten waren nur schwer abzulegen. Weil sie nichts weiter zu tun hatte – und entgegen allen guten Vorsätzen –, betrat sie das Esszimmer, um ihre Mails abzurufen. Sie würde einen kurzen Blick ins Postfach werfen, um festzustellen, ob
sie irgendetwas an Francine abgeben musste. Sie würde sich nicht selbst darum kümmern, egal, wie wichtig die Sache war, und auch nur das Allernotwendigste an Francine weiterleiten.
    Der Bildschirm wurde hell. Dawn klickte sich bis zu ihrem Postfach durch. Eine neue Nachricht. In der Betreffzeile stand: Dringend. An Oberschwester Torridge. Chirurgische Abteilung .
    Absender war der »Gratulant«.
    Dawn hatte den Mund voller Kaffee. Vor Schreck verschluckte sie sich. Sie hustete und würgte, kippte fast vom Stuhl. Woher kam diese Mail? Wie war das möglich? Wie hatte Clive sie nur abgeschickt?
    Ein Kribbeln, ein Kratzen wie von kleinen Krallen auf ihrer Kopfhaut. Wieder sah sie Clive vor sich, und wie in ihrem Traum lächelte er sie mit schwarzen Zähnen an. Sie sah, wie er im Leichenschauhaus des Krankenhauses von der Trage hüpfte, den Hügel hinunterschlich, unter der Eisenbahnbrücke hindurch und durch die dunklen Straßen bis zu ihrem Haus lief. Wie er ins Haus einbrach, während sie schlief, um eine letzte, höhnische Nachricht auf ihrem Laptop zu hinterlassen.
    Das Kribbeln verschwand. Um Himmels willen! Nein, dieser Urlaub hatte keinen Tag zu früh begonnen. Woher die Mail kam, war doch offensichtlich. Dawn hatte ihre Post zum letzten Mal am

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