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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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Dawn, wie groß er war. Sie selbst maß schon stattliche eins fünfundsiebzig, aber er war noch einen guten Kopf größer als sie. Milly grunzte und schnaufte und versuchte, die Nase durch die Gitterstäbe des Gartentors zu schieben.
    »Wo wollt ihr denn hin?«, fragte Dawn.
    »In die North Downs. Oder noch weiter, ins östliche Sussex vielleicht.«
    »Oh.« Dawn war überrascht. Sie hatte eher an einen Park in der Nähe gedacht. An den Tooting Bec Common vielleicht, oder an Wandsworth. »Klingt schön. Da war ich seit Jahren nicht mehr.«
    Will steckte die Hände so tief in die Taschen, dass sich seine Fingerknöchel als knubbeliger Saum an seinem Jackett abzeichneten.
    »Komm doch mit«, schlug er vor.
    »O nein. Nein. Klingt toll, aber ich habe noch so viel Arbeit.« Nur selten hatte Dawn einen Nachmittag frei, und auf diesen hatte sie ewig gewartet. Zunächst einmal würde sie Tee kochen, sich mit dem Sandwich, das sie unterwegs gekauft hatte, in die Küche setzen und die Tatsache genießen, dass niemand sie anpiepte oder anrief, dass keiner um sie herumschlich: »Schwester, hätten Sie vielleicht einen Moment?« Dann würde sie sich daranmachen, die Unterlagen zu sortieren, die sich im Lauf der letzten Tage auf ihrem Schreibtisch angesammelt hatten. Einsatzpläne. Werbung für das tragbare Wiederbelebungsset. Ihr halb fertiger Notfallplan. Sie hatte genug Arbeit für eine ganze Woche.
    Die Sonne brannte. Die Luft über dem Asphalt flimmerte. Dawn hörte Francines Stimme: Du brauchst mal eine Pause.
    »Wie lange würde es denn dauern?«, fragte sie.
    Will stierte in den Himmel. »So lange du möchtest. Wir könnten in drei Stunden zurück sein.«

    Dawn überlegte.
    »Ich esse schnell ein Sandwich und ziehe mich um.«
    Der kleine, rote Honda hatte auch schon bessere Zeiten gesehen. Überall lagen Papierstreifen, die über und über mit langen Zahlenreihen bedruckt waren. An den Sitzpolstern klebten Hundehaare.
    »Tut mir leid.« Will sammelte ein paar Computermagazine ein, schaute sich um und schien zu überlegen, wohin damit. Die Brille rutschte ihm von der Nase. »Ich kann den Sitz mit Zeitschriften abdecken.«
    »Nein, das geht schon. In diesen Kleidern gehe ich nur spazieren.« Faszinierend, wie gut manche Menschen zu ihren Autos passten. Wills chaotischer Honda passte zu dem, was sie bislang von ihm gesehen hatte. Er war weder schick noch originell, sondern einfach nur praktisch. Das klang nach einer Beleidigung, als hielte sie Will für langweilig, aber so meinte sie es gar nicht. Es war nichts Schlechtes daran, praktisch zu sein. Dawn hatte Verständnis für praktisch veranlagte Menschen. In deren Nähe fühlte sie sich wohl. Sie waren seltener, als man glaubte.
    Sie klopfte auf die Rückbank. »Komm, Milly.« Sanft schob sie den Hund, dessen steife Hüfte Probleme bereitete, ins Auto. Milly zwängte sich in die Lücke vor den Sitzen und legte die Schnauze auf eine Zeitschrift mit dem Titel Linux pro , auf deren Titelblatt eine Art Mikrochip abgebildet war.
    Sie fuhren durch Croydon, vorbei an neuen, riesigen Einkaufszentren und Bürogebäuden. In Purley bog Will auf die A23 ein, und weiter ging’s in Richtung Süden. Nach und nach machten die Bürotürme und Wohnblocks gepflegten Einfamilienhäusern und schließlich weiten Feldern Platz.
    »Das war eine tolle Idee«, meinte Dawn. Nun, da sie London hinter sich ließen, fühlte sie sich entspannt, konnte endlich loslassen. Wenn sie zurückkam, wären die Papierberge
immer noch da, aber jetzt konnte sie daran nichts ändern. Will schwieg und konzentrierte sich auf die Straße. Nachdem er Dawn auf den Ausflug eingeladen hatte, schien er sich wieder ganz in sich selbst zurückgezogen zu haben. Was Dawn nichts ausmachte. Sie war zufrieden damit, sich zurückzulehnen und die Fahrt zu genießen. Sie besaß kein eigenes Auto. Kaum einer ihrer Bekannten in London fuhr selbst. Es schien wenig sinnvoll, so viel Geld für Versicherungen, Parkgebühren und Plaketten auszugeben, wenn man mit Bussen und Bahnen dahin kommen konnte, wohin man wollte. Aber an einem Tag wie diesem war es schön, dem Schmutz und Lärm der Stadt zu entkommen. An einer Kreuzung entschied Will sich für eine kleinere Nebenstraße, die sie zu einem Kreisverkehr mit Bäumen und Büschen brachte. Jetzt befanden sie sich definitiv auf dem Land. Zwischen den Knicks erstreckten sich gelbe und grüne Felder. Sie nahmen die zweite Ausfahrt und kamen in ein Dorf mit Holzhäusern und hohen, von Ranken

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