Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
Vom Netzwerk:
bedeckten Backsteinmauern. Der Ort schien menschenleer zu sein und doch sorgsam gepflegt. Es gab eine uralte Kirche mit Bleiglasfenstern, steilem Spitzdach und einem alten Friedhof mit von Flechten bedeckten Grabsteinen. Es sah aus wie im Märchen. Will bog nach rechts ab; dann stieg die Straße bergan und verengte sich zu einem Feldweg mit Grasstreifen in der Mitte. Blätter und Äste kratzten an den Autotüren. Etwa eine Stunde nachdem sie London verlassen hatten, lenkte Will das Auto an den Straßenrand und schaltete den Motor aus.
    Durch die geöffneten Fenster schien die Sonne. Nichts war zu hören außer dem fernen Gurren einer Taube.
    »Wie wunderschön«, sagte Dawn. Sie stieß die Beifahrertür auf. Vor ihnen breitete sich ein langgezogenes, leuchtend gelbes Rapsfeld aus. Über dem Knick schwirrte ein riesiger
Mückenschwarm, und in ein paar Metern Entfernung führte ein hölzerner Übertritt auf die Weide.
    Will erklärte: »Wenn wir den Weg über die Weide nehmen, kommen wir auf einem Rundweg zum Auto zurück. Er ist etwa sechs Kilometer lang. Kann Milly das schaffen?«
    Milly war aus dem Auto gesprungen und stand schon auf dem Feld. Sie schnüffelte im Knick, so dass nur noch ihr Hinterteil zu sehen war. Als sie ihren Namen hörte, wühlte sie sich rückwärts heraus, von kleinen Zweigen bedeckt und ein Blatt über den Augen. Dawn lachte. »Ich glaube, das schafft sie.«
    Sie liefen auf einem Matschweg um das Feld herum. Die Sonne brannte Dawn ins Gesicht. Sie schlang sich den Pullover um die Hüfte. Ringsum nichts als Felder und sanfte Hügel, die sich bis an den dunstigen Horizont erstreckten. Dies war Farmland, feucht und fruchtbar. Das Gras leuchtete in einem dunklen Grün. Milly lief voraus und blieb nur gelegentlich stehen, um etwas Gras zu fressen oder an einem Baum zu schnüffeln. Will trampelte mit schweren, braunen Stiefeln die Halme platt. Stampf, stampf .
    »Du wohnst in Streatham?«, fragte Dawn.
    »Ja.«
    »Wo genau?«
    »Telford Road.«
    »Oh, die kenne ich. Da gibt es ein paar schöne Häuser.«
    »Ja.«
    Stampf . Sich mit ihm zu unterhalten war wirklich mühsam. Auf der nächsten Weide graste eine Herde Lämmer, die an den Zaun gelaufen kamen, um die Spaziergänger in Augenschein zu nehmen. Sie trugen rote Farbflecke an den wolligen Bäuchen und versuchten, einander wegzudrängen. Manche hatten schwarze Gesichter, und ihre Augen glänzten wie in die Wolle genähte Knöpfe. Dawn nahm Milly an
die Leine. Eigentlich jagte sie schon lange keinem Tier mehr hinterher, aber in der letzten halben Stunde schien sie um fünf Jahre jünger geworden zu sein. Die Schafmütter blieben auf Abstand, standen herum oder lagen kauend im Gras, ohne den Nachwuchs aus den Augen zu lassen; mit tiefen Stimmen riefen sie die Lämmer, wie um sie vor den Fremden zu warnen. Määääh .
    »Lustig klingen die«, meinte Dawn. »Wie Pavarotti.«
    Die Station und das St. Iberius schienen endlos weit weg zu sein. Dawn sagte: »Ich weiß noch, wie die Lämmchen auf unserer Farm in Cumbria in einem hohlen Baum gespielt haben. Sie haben geschubst und gedrängelt und sich um den besten Platz gebalgt. Die Verlierer sind über das Feld zur Mutter gelaufen und haben die ganze Zeit geblökt, so als wollten sie petzen. Das war so niedlich. Genau so, als wären es Kinder.«
    Wills Stiefel stampften weiter durchs Gras. Dawn seufzte. Es war ein Fehler gewesen hierherzukommen. Er gab sich überhaupt keine Mühe mehr, seit sie ins Auto gestiegen waren und die Fahrt angetreten hatten. Er schien sich kein bisschen für sie oder Milly zu interessieren. Vermutlich hatte er nicht damit gerechnet, dass sie sein Angebot annehmen würde, und sich bestimmt nur aus reiner Höflichkeit mit ihr getroffen. Nun gut, immerhin hatte sie es versucht. Es war wunderschön hier, sie bereute den Ausflug nicht, doch ab morgen würde sie nach einer anderen Betreuungsmöglichkeit für Milly suchen.
    Sie hatten wieder die Straße erreicht. Zwei kleine Mädchen liefen auf einen baumbestandenen Parkplatz zu. Hinter ihnen folgte ein kleineres Kind, das Mühe hatte, mit den beiden anderen Schritt zu halten.
    »Wartet«, jammerte der kleine Junge. »Wartet auf mich.« Sein Gesicht war zum Weinen verzogen. Vor Anstrengung
liefen seine Wangen rot an. Die Mädchen warfen einen Blick zurück, kicherten und rannten noch schneller.
    »Wartet auf mich!«, bettelte das Kind.
    Will bemerkte von der Seite: »Etwa im selben Alter, nicht?«
    »Wie bitte?« Dawn sah ihn

Weitere Kostenlose Bücher