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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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fragend an. »In welchem Alter?«
    »Wie der Junge im Café. Samstag.«
    »Oh. Ja, das stimmt.«
    Der kleine Junge stolperte und fiel hin. Er stand nicht auf, sondern blieb mit dem Gesicht nach unten und laut heulend im Dreck liegen. Eine Frau kam zwischen den geparkten Autos hervor und hob ihn auf. Er klammerte sich an ihr fest und zeigte auf die Mädchen. Die Frau murmelte etwas und strich ihm übers Haar. Dann nahm sie alle drei Kinder mit. Sie verschwanden hinter den Bäumen, und das Geheul verstummte.
    »Hör mal«, sagte Dawn, »es ist schon spät. So langsam sollten wir …«
    »Das war unglaublich«, erklärte Will. »Was du am Samstag getan hast.«
    Er war stehen geblieben und hatte sich zu ihr umgedreht. Die Sonne blendete ihn nicht mehr, und zum ersten Mal an diesem Tag konnte Dawn ihm in die Augen sehen. Seine Bewunderung war unverkennbar. Auf einmal wurde Dawn bewusst, dass er nicht aus Desinteresse so still war, sondern aus Schüchternheit.
    »Du hast so ruhig gewirkt«, fuhr er fort. »Alle anderen waren hysterisch oder wie gelähmt. Aber du … du hattest alles im Griff.«
    Sein Respekt und seine offene Art ließen den großen Mann plötzlich verletzlich wirken. Dawn wurde klar, dass er sie begehrte. Will entsprach haargenau dem Typ Mann, der auf Krankenschwestern stand. Ihre Freundinnen hatten
sich oft darüber lustig gemacht. Über erwachsene Männer mit einer Vorliebe für mütterliche Frauen, große Brüste und Fieberthermometer. Nein, er war nicht ihr Typ. Er war niemandes Typ! Dennoch fand sie seine schüchterne Art rührend. Immer schon hatte sie eine Schwäche für Menschen gehabt, die naiv und verletzlich waren und einfach nicht erfahren oder abgebrüht genug, um es zu verbergen.
    »Na ja«, meinte sie, »du könntest einen Erste-Hilfe-Kurs machen. Im Grunde habe ich nicht mehr geleistet als Erste Hilfe, das hatte mit meinem Beruf nichts zu tun.«
    »Ja, eine gute Idee«, sagte Will begeistert. »Erst in solchen Momenten wird einem deutlich, wie wenig man weiß.«
    »Wenn du willst, suche ich dir einen Kurs in deiner Nähe raus.«
    »Wirklich? Das wäre toll.«
    Sie hatten sich wieder in Bewegung gesetzt; endlich kam das Gespräch in Gang. Sie erreichten einen Gasthof, ein niedriges, weiß verputztes Gebäude mit schwarz gestrichenen Fachwerkbalken und Fensterläden. Im Biergarten standen hölzerne Klapptische und bunte Blumenkübel. Über dem Eingang hing ein Schild an zwei eisernen Ösen, auf das ein Hirsch gemalt war. Zum schwarzen Hirschen stand darunter.
    »Könnten wir kurz Rast machen?«, fragte Dawn. »Ich möchte Milly etwas zu trinken holen.«
    Der Eingang zum Gasthof war so niedrig, dass Will beim Eintreten den Kopf einziehen musste. Sie fanden sich in einem dunklen Raum mit Holzvertäfelung und schwarzen Deckenbalken wieder. Das Sonnenlicht fiel in Streifen auf den gemusterten Teppich. Hinter dem Tresen stand ein Mädchen im Teenageralter und blätterte in einer Zeitschrift.
    »Entschuldigen Sie«, sagte Dawn, »könnte ich etwas Wasser für meinen Hund bekommen?«

    »Klar.« Das Mädchen rutschte vom Barhocker herunter. »Noch etwas?«
    Will sah Dawn fragend an.
    »Ich nehme ein Glas Weißwein«, sagte sie. Warum auch nicht? Immerhin hatten sie einen sechs Kilometer langen Spaziergang hinter sich. Will bestellte ein Alsterwasser. Sie nahmen die Gläser mit nach draußen und setzten sich auf eine Holzbank unter die Bäume. Sie waren die einzigen Gäste. Milly schlabberte im Schatten Wasser aus einer Schüssel. Will nahm gegenüber von Dawn Platz. Er hatte seine Jacke ausgezogen und die Beine ausgestreckt. Sein dünnes, glattes Haar hatte der Wind zerzaust, und er sah viel entspannter und glücklicher aus als in dem überfüllten Café in Tooting.
    »Kann ich dich was fragen?« Dawn stützte sich auf die Ellbogen. »Was genau arbeiten IT-Experten?«
    Will legte lächelnd den Kopf schief, und die Bäume spiegelten sich in seiner Brille. »Willst du das wirklich wissen? Ich bin Systemadministrator.«
    Eifrig sagte Dawn: »Du entwirfst Webseiten!«
    »Nein. Die Designer sind erst zum Schluss dran. Ich arbeite hinter den Kulissen. Ich werde beispielsweise von Firmen gebucht, die sich neue Software zugelegt haben, die nicht funktioniert oder das System zum Absturz bringt.«
    »Macht das Spaß?«
    »Ja, sehr. Es gefällt mir, dass ich in meinem eigenen Tempo arbeiten und mir die Auftraggeber aussuchen kann.«
    Damit wollte er wohl sagen, dass es ihm gefiel, nicht viel mit Menschen zu

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