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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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verlangen .
    Wenn er darauf bestand, konnte der Erpresser gern ihre Kontoauszüge sehen. Falls er sie für einen Goldesel hielt und vorhatte, sie auszunehmen, würde sie ihn eines Besseren belehren. Sie konnte nur hoffen, dass der oder die Unbekannte einsah, dass sie alles in ihrer Macht Stehende getan hatte, um ihren Teil der »Abmachung« zu erfüllen. Und dass er oder sie so fair wäre, sich ebenfalls daran zu halten.
    Sie nahm Milly mit in den Park, die sich über den Ausflug freute. Sie trabte über den Rasen, schnüffelte im Gebüsch an leeren Fast-Food-Verpackungen und Chipstüten. Der Briefkasten am Zaun schimmerte als rotes Rechteck in der Dämmerung. Bevor sie den Umschlag einwarf, sah Dawn sich nach den anderen Leuten auf der Grünfläche um: Eine Frau in einem blauen Kleid kam gerade aus dem Supermarkt, ein Junge trat einen Fußball gegen den Zaun, zwei Männer saßen nebeneinander auf einer Bank und tranken Dosenbier. Niemand schenkte Dawn Beachtung. Wozu auch? Sie sah ganz gewöhnlich aus. Sie war eine ganz normale Frau, weder alt noch jung, die eine Sendung aufgab. Sie steckte den Umschlag in den Briefkasten, drehte sich um und ging weg.

Kapitel 11
    Nie zuvor war ihr das Wochenende so lang erschienen.
    Dawn versuchte, sich mit den üblichen Tätigkeiten abzulenken, so gut es ging. Sie machte mit Milly einen Spaziergang, kochte das Abendessen, saß auf dem Sofa und sah fern. Aber sie musste die ganze Zeit an den Briefumschlag mit dem Geld denken. Wann würde der »Gratulant« sich wieder bei ihr melden? Spätestens am Dienstag würde die Sendung ihn erreichen. Vielleicht sogar schon am Montag. Wahrscheinlich würde er sie aber erst später in Empfang nehmen, denn zunächst musste sie an die echte Adresse weitergeleitet werden.
    Während das Wochenende sich hinzog, beschlich Dawn die Befürchtung, sie könnte eine falsche Adresse auf den Umschlag geschrieben haben. Sie war überzeugt gewesen, die richtige Anschrift im Kopf zu haben, aber nun war sie sich nicht mehr so sicher. Sie notierte die Adresse auf einem Zettel und versuchte, sie mit der abzugleichen, die sie in der E-Mail gelesen hatte. War es überhaupt die richtige Postleitzahl? Auf keinen Fall durfte es so weit kommen, dass der »Gratulant« sie bei der Polizei anzeigte, nur weil sein Ultimatum verstrichen war und er irrtümlicherweise annahm, dass sie sein Angebot ablehnte.
    Am Sonntag hielt sie es nicht mehr aus. Der Erpresser hatte um eine Kontaktaufnahme per Post gebeten, aber sicherlich würde er eine Mail von Dawn nicht ungelesen löschen? Bestimmt war er ebenso nervös wie sie, und sicher fragte er
sich, wie sie reagieren, was sie tun würde. Dawn setzte sich an den Esstisch und klappte ihren Laptop auf.
    Ich habe das Geld abgeschickt , schrieb sie . An folgende Adresse.
    Sie gab die Anschrift in Großbuchstaben ein. Falls sie irrte, würde der »Gratulant« sich bei ihr melden, um eine Lösung zu finden. Aber obwohl sie wie eine Besessene immer wieder einen Blick auf den Laptop warf, bekam sie keine Antwort.
    Als sie am Montagmorgen in ihre Uniform schlüpfte, löste das vertraute statische Knistern ihrer Haare eine schreckliche Angst aus, die sie besonders in der Magengegend spürte. Ein ganzer Tag auf der Station stand ihr bevor, und sie durfte sich nichts anmerken lassen. Sie hatte kaum geschlafen. Was, wenn der Umschlag verloren gegangen war und der Erpresser sie bereits angezeigt hatte? Was, wenn der Umschlag angekommen war, der Empfänger aber beschlossen hatte, sie dennoch anzuzeigen? Sie war ihm hilflos ausgeliefert.
    Sie erschien ein paar Minuten zu spät zur Visite. Professor Kneebone war schon dabei, den ersten Patienten abzuhorchen. Mandy und Trudy hatten sich unter die Weißkittel gemischt und schrieben mit. Elspeth hatte heute frei, was bedeutete, dass Dawn lediglich zwei Kolleginnen aus dem Weg gehen musste.
    Falls eine von den dreien dahintersteckte.
    Wenn sie es bloß wüsste! Das war das Allerschlimmste – die endlose Warterei, die Ungewissheit, das Gefühl des Ausgeliefertseins. In der Nacht hatte sie geträumt, dass der Krankenhausvorstand von ihrer Verfehlung erfahren hatte. Dawn hatte sich in der Geschäftsstelle in Holborn melden müssen, wo man ihre Diensttauglichkeit überprüfen wollte. Im Traum trug sie dasselbe dunkle Kostüm wie zu Doras Beerdigung. Sie war unter Gemurmel und Getuschel durch die Reihen der Wartenden bis ans hintere Endes eines Saals gelaufen und
hatte vor dem langen Tisch Platz genommen,

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