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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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viel Geld. Außerdem gehörte es ihr. Sie konnte so viel davon abheben, wie sie wollte, und musste sich niemandem erklären. Trotzdem nahm ihre Nervosität zu. Sie stellte sich das Streitgespräch mit der Kassiererin vor: »Ich kann nicht am Montag wiederkommen. Ich brauche das Geld noch heute.« Und die Antwort der jungen Frau: »Es tut mir leid, Madam, aber da kann ich nichts machen.« Als sie endlich an der Reihe war, hatte sich ihre Kiefermuskulatur vor Wut verspannt.

    Sie schob ihre Bankkarte unter der Scheibe hindurch.
    »Fünftausend Pfund, bitte. In bar.«
    Die junge Frau warf einen Blick auf die Karte. »Natürlich, Ms. Torridge«, sagte sie. »Sind Sie sicher, dass Sie es in bar haben wollen? Möchten Sie nicht lieber einen Scheck oder einen Überweisungsvordruck?«
    »Nein. Es muss bar sein.«
    »Selbstverständlich.«
    Dawn klammerte sich am Schalter fest, während ihr Puls sich beruhigte. Alles war in Ordnung. Sie würde ihr Geld bekommen.
    Und dann? Dann würde sie es dem Erpresser geben. Und was, wenn er danach zehntausend Pfund verlangte?
    Die junge Frau hinter der Glasscheibe hatte etwas gesagt. »Können Sie sich ausweisen?«
    »Aber ja.« Sie schob ihren Pass unter der Scheibe durch.
    »Ich muss eine Fotokopie davon machen.« Die junge Frau stand auf.
    Dawn spreizte die Finger, ballte die verschwitzten Hände immer wieder zur Faust. Alles war, wie es sein sollte, ganz normal. Bei einer so großen Summe war es nicht ungewöhnlich, den Pass zu fotokopieren. Nur dafür hatte sie ihn mitgebracht. Dennoch konnte Dawn den Blick nicht von der Tür abwenden, durch die die junge Frau verschwunden war. Hörte sie sie gar im Hinterzimmer flüstern?
    Keith, ich muss dich kurz was fragen. Da draußen ist eine Frau, die fünftausend Pfund in bar abheben will.
    In bar? Wozu das denn?
    Hat sie nicht gesagt. Meinst du, wir müssen Mr. Braintree anrufen?
    Die Tür ging auf. Die junge Frau kam zurück.
    »Alles in Ordnung.« Sie hielt einen Umschlag in der Hand. »Bitte sehr.«

    Sie zählte die Geldscheine vor Dawn auf den Tresen. Dann steckte sie sie in einen braunen Umschlag und schob ihn unter der Scheibe durch. Der Umschlag war kleiner und dünner, als Dawn gedacht hätte. Sie hatte mit einem großen Paket gerechnet.
    »Passen Sie gut darauf auf«, riet ihr die junge Frau und strahlte Dawn an. »Ich wünsche Ihnen ein wunderschönes Wochenende.«
     
    Dawn saß auf dem beigegoldenen Sofa im Wohnzimmer. Vor ihr auf dem Kaffeetisch lagen aufgefächert die bunten Geldscheine. Außen die roten Fünfziger, die blau-lila Zwanziger in der Mitte, innen der orangefarbene Bogen aus Zehnpfundnoten. Darunter lag die Sammlung aus Spitzendeckchen, die Dora immer benutzt hatte, wenn Besuch kam, zusammengedrückt unter der gläsernen Tischplatte.
    Dawn erhob sich, legte sich die Hände an den Kopf und lief im Zimmer auf und ab, vom Schrank am Fenster bis zur Flügeltür des Esszimmers und wieder zurück. Sie konnte das nicht. Sie schaffte das nicht allein. Wenn es doch nur jemanden gäbe, mit dem sie reden, mit dem sie die Szenarien durchspielen könnte, statt sich einfach nur im Kreis zu drehen. Das war doch verrückt. Aber es ging natürlich nicht. Über so etwas konnte man nicht reden.
    Andere Leute sahen das anders. Ihre Freundin Judy hatte ihr erzählt, dass es nichts gab, was sie nicht mit ihrem Ehemann Andy besprach, und dass er, selbst wenn sie das schlimmste Verbrechen begehen würde, immer bei ihr bleiben würde.
    »Er würde mich irgendwie aus dem Knast befreien«, hatte Judy gesagt. »Ich würde einfach rumsitzen, mir die Nägel feilen und abwarten.«
    Könnte sie mit Judy darüber reden?

    Früher einmal hatten sie sich sehr nahegestanden, so nah wie Schwestern. Judy war ebenfalls Krankenschwester. Sie wüsste, was Mrs. Walker hatte durchmachen müssen. Was Dawn getan hatte, würde einer Person, die diese Art von Leiden kannte, nicht mehr so schlimm erscheinen.
    Aber Judy arbeitete schon lange nicht mehr als Krankenschwester. Sie war ins Ausland gezogen, wo Andy einen Job hatte. Obwohl sie inzwischen wieder in London lebten, war Judy nie in den Beruf zurückgekehrt. Wann hatte sie Judy zum letzten Mal getroffen, sah man einmal von Doras Beerdigung ab? Beide waren mit ihrem eigenen Leben beschäftigt; Dawn mit der Arbeit und ihrer Großmutter, Judy mit ihren Kindern. Außerdem war sie zum vierten Mal schwanger. Sollte Dawn das Thema dennoch ansprechen? »Hallo, Judy. Wie geht es dir? Morgendliche Übelkeit und

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