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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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Verstopfung? Du Ärmste. Ich? Na ja, mir geht’s gut. Ein bisschen gestresst vielleicht. Neulich habe ich bei der Arbeit jemanden ermordet, und stell dir vor, jetzt werde ich erpresst.«
    Judy wäre schockiert. Sie würde sich jedoch nichts anmerken lassen und sich bemühen, die Sache aus Dawns Blickwinkel zu betrachten. Aber Verständnis hätte sie nicht.
    Im Flur klingelte das Telefon.
    Dawn blieb wie angewurzelt stehen.
    Der Erpresser!
    Ihre Knie wurden weich. Nein. Nein, das konnte nicht sein. Wer auch immer der »Gratulant« war, er hatte sehr deutlich gemacht, dass er nur postalisch mit ihr kommunizieren wolle. Nie im Leben wäre er so dumm, sie anzurufen und so seine Stimme zu verraten.
    Brrrrr.
    Vielleicht wollte er nur überprüfen, ob sie die Nachricht erhalten hatte. Vielleicht war es ein Freund oder Bekannter, ein Komplize, der stellvertretend anrief.

    Brrrrrr.
    Tja, wenn sie sich nicht beeilte, würde der Anrufer auflegen. Das wäre auch eine Lösung. Aber sobald sie das gedacht hatte, wurde ihr klar, dass sie die Wahrheit wissen musste. Sie rannte in den Flur und riss den Telefonhörer hoch.
    »Hallo?«
    »Dawn?« Eine tiefe, zögerliche Stimme.
    »Ja?«
    »Hier spricht Will.«
    Will! Sie benötigte ein paar Sekunden, um sich wieder an ihn zu erinnern. In den letzten Tagen hatte sie kein einziges Mal an ihn gedacht.
    Zaghaft sprach Will in ihr Schweigen hinein. »Störe ich gerade?«
    »Nein. Nein, es passt mir gut.« Obwohl das nicht stimmte. Als sie seinen Akzent hörte, stieg eine Art Panik in ihr auf. Sie sah durch die Tür ins Wohnzimmer, wo das Geld auf dem Tisch ausgebreitet lag.
    »Wie geht es dir?«, fragte sie einfältigerweise. »Ganz gut?«
    »Ja, sehr gut«, antwortete Will. »Ich habe den Job bekommen.«
    »Welchen Job?«
    »Der, auf den ich mich beworben habe. In Cumbria.«
    Dawn wusste nicht, wovon er sprach. Sie musste überlegen, aber dann fiel es ihr wieder ein.
    »Ach ja, der IT-Job. Natürlich.« Sie bemühte sich mit letzter Kraft, möglichst enthusiastisch zu klingen. »Glückwunsch! Das ist ja wunderbar. Du musst sehr glücklich sein.«
    »Ja, das bin ich.« Irgendwie wirkte er heute Abend verändert. Er klang aufgeweckter als sonst, und auf einmal platzte er heraus: »Ich habe mich gefragt, ob … ob wir uns treffen wollen? Nächste Woche vielleicht? Oder sogar am Wochenende?«

    »Treffen? Zum Spazierengehen, meinst du?«
    »Nun ja. Ich dachte«, Will räusperte sich, »zum Abendessen.«
    Als Dawn nicht sofort antwortete, fügte er schnell hinzu: »Oder auch nicht. Ich verstehe ja, wenn du … Ich meine, wir könnten zusammen ausgehen, nur als Freunde. Um zu feiern.«
    Dawn starrte ins Wohnzimmer, auf den bunten Regenbogen auf der Glasplatte. Als sie mit Will das letzte Mal zusammen gewesen war, hatten sie unter Bäumen gesessen, unter einem rosaroten Himmel. Aus seinem Blick hatte Bewunderung gesprochen, und sie hatte ihn wissen lassen, was für eine fabelhafte Krankenschwester sie war.
    »Es tut mir leid.« Sie zog die Telefonschnur zwischen den Fingern glatt. »Aber im Moment habe ich wirklich furchtbar viel zu tun. Diese Woche passt es mir nicht so gut.«
    »Dann eben ein andermal.« Schon klang er ein wenig enttäuscht.
    »Vielleicht. Und falls nicht, wünsche ich dir viel Glück im neuen Job.«
    »Oh.«
    »Ich muss jetzt Schluss machen«, sagte Dawn. »Auf Wiederhören.«
    Sie legte auf. Sie hatte ihn einfach abgewürgt. Wieder fiel ihr der Tag in Sussex ein, und sie spürte einen dumpfen Schmerz in der Brust. Nun bestand kein Zweifel mehr, was Will für sie empfand. Seine Enttäuschung war nicht zu überhören gewesen. Sie hatte ihn verletzt, und es tat ihr leid. Aber es war besser so. Selbst wenn es für sie so etwas wie eine Zukunft gegeben hätte, durfte sie ihn auf keinen Fall in dieses Chaos hineinziehen. Bald wäre Will wieder zurück in seinem alten Leben in Cumbria. Sie hatte ihn nie wirklich gekannt, und nun würde es auch nicht mehr dazu kommen.
Ihr Widerstandsgeist war erloschen. Sie konnte einfach nicht mehr. Es war an der Zeit, dem Ganzen ein Ende zu machen.
     
    Vor ihr auf dem Tisch lag das Paket. Sie hatte alle Geldscheine in einen Umschlag gesteckt und diesen in einen zweiten, größeren Umschlag, der die Adresse trug. Die Adresse des »Gratulanten« in Essex. Dawn kannte sie auswendig.
    Sie hatte einen Brief geschrieben und zu dem Geld in den Umschlag gesteckt.
    Dies sind meine gesamten Ersparnisse , hatte sie geschrieben. Es ist zwecklos, mehr zu

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