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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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war, ständig wie auf rohen Eiern ging und jeden Streit vermied. Egal, was passierte, sie würde das St. Iberius verlassen müssen.
    Falls sie überhaupt als Krankenschwester arbeiten durfte.
    Ein energisches Klopfen an der Tür unterbrach ihre Gedanken und holte sie in die Gegenwart zurück.
    »Herein«, sagte sie.
    Elspeths schlanke, katzenhafte Gestalt erschien im Türrahmen.
    »Schwester«, sagte sie, »tut mir leid, Sie zu fragen, aber ich muss am Montagnachmittag unbedingt zum Zahnarzt.«
    Dawn nahm sich zusammen und warf einen Blick in den Dienstplan. »Aber am Montag sind Sie für die Spätschicht eingeteilt.«
    »Ja, ich weiß. Aber die Sache ist die, ich habe den Termin schon lange vereinbart.«
    »Ist es ein Notfall?«
    »Nun ja, Notfall …«, sagte Elspeth, »… nicht direkt. Aber nun habe ich den Termin einmal ausgemacht, und es ist so schwer, einen neuen zu bekommen. Der nächste wird vielleicht erst in ein paar Wochen frei.«
    Elspeth stand mit gefalteten Händen vor Dawn und sah sie mit gesenktem Blick an wie Prinzessin Diana. Sie kannte die Vorschriften genauso gut wie Dawn. Wenn sie sich am Montag freinahm, wäre die Station unterbesetzt, und es würde sehr schwierig werden, eine Vertretung zu finden. Solange Elspeth kein Attest vorlegen konnte, das ihre Notlage dokumentierte, durfte sie ihr nicht freigeben.
    Dawn schaffte es nicht, den Kopf zu heben.

    »Gehen Sie zu Ihrem Termin«, sagte sie. »Wir schaffen das schon irgendwie.«
    Sie hörte das Lächeln in Elspeths Stimme.
    »Vielen Dank, Oberschwester.«
     
    Gegen Ende der Schicht war sie mit den Nerven am Ende. Sie schaffte es kaum noch zur Tür hinaus. So konnte sie keinen Tag länger weitermachen.
    Auf dem Weg zur Bushaltestelle kam sie an einer Bankfiliale vorbei. Sie blieb stehen. In der E-Mail hatte der Erpresser geschrieben, das Geld solle bis zum siebzehnten Mai verschickt sein. Heute war Freitag, der zwölfte. Wenn das Geld pünktlich ankommen sollte, musste sie es spätestens am Montag abschicken. Und niemand konnte ihr garantieren, dass sie am Montag früh genug Schluss machen konnte, um zur Bank zu gehen.
    Das hieß, dass sie das Geld, wollte sie rechtzeitig darüber verfügen, noch heute abheben musste.
    Sie überlegte hin und her, während sie an der Ecke von Lavender Hill und St. John’s Road stand. Wozu die Eile? Sie hatte noch nicht einmal entschieden zu zahlen, oder?
    Nein, hatte sie nicht. Aber wie viele Tage wie heute würde sie noch durchstehen? Sie konnte sich nicht ewig in ihrem Büro verkriechen.
    Im Bus setzte sie sich ans Fenster und starrte mit leerem Blick auf die Cafés und Galerien der Northcote Road hinaus. Was, wenn sie das Geld abhob? Nicht um es sofort zur Post zu bringen, sondern nur, um es sicherheitshalber im Haus zu haben. Und wenn sie sich dann im Lauf des Wochenendes dafür entschied zu zahlen – was nicht bedeutete, dass es so kommen würde –, hätte sie das Geld zur Hand. Wenn nicht, hätte sie eine Option weniger.
    Sie sah auf ihre Uhr. Halb fünf. In einer halben Stunde
würden die Banken schließen. Sie musste sich beeilen, wollte sie ihre Filiale noch erreichen. Sie lehnte sich vor, so als würde der Bus dann schneller fahren. Um Viertel vor fünf hatte sie Silham Vale erreicht. Sie sprang aus dem Bus und eilte im Laufschritt am Ufer des Somerfield entlang. Dann hielt sie plötzlich inne. Würde sie nicht, um eine so große Summe abzuheben, ihren Pass oder irgendwelche Ausweisdokumente benötigen? Leise fluchend lief sie zurück. Sie bog in die Crocus Road ein, stürmte an Milly vorbei ins Haus, stieg die Treppe hinauf, holte ihren Pass aus der Schublade des Nachtschranks und eilte auf die Straße hinaus, bevor sie ihre Meinung ändern konnte. Drei Minuten vor Geschäftsschluss betrat sie die Bank.
    Nur eine Kasse war geöffnet. Vor Dawn befand sich lediglich eine Person, ein älterer Mann in einer langen, weißen Robe, der einen Scheck in der Hand hielt. Dawn stand dicht hinter ihm und klappte nervös ihren Pass auf und zu. Fünftausend Pfund! So viel hatte sie noch nie zuvor abgehoben. Was, wenn die Kassiererin sich weigerte, das Geld herauszugeben? Die junge Frau hinter der Glasscheibe mit der sorgfältig gebügelten Bluse machte den Eindruck, als würde sie sich peinlich genau an die Regeln halten. Was, wenn die Bank gar nicht über so viel Geld verfügte und Dawn sich hätte anmelden müssen? Ihr Fuß tippte nervös auf den Boden. Das war doch lächerlich. Natürlich hatte die Bank so

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