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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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zu viel billigen Sekt tranken und die hochnäsigen Stewardessen belästigten, die als Inderinnen wussten , dass Schauspieler gemeines Volk waren; kurz, die eine thespische Flegelhaftigkeit an den Tag legten. Die Frau, die das Baby trug, blickte durch die bleichgesichtigen Schauspieler hindurch, verwandelte sie in Rauchwölkchen, Fata Morganas, Geister. Für einen Mann wie Saladin Chamcha war die Entwürdigung des Englisch-Seins durch die Engländer zu schmerzlich, um sich damit zu befassen. Er vertiefte sich wieder in die Zeitung, in der darüber berichtet wurde, wie in Bombay eine Demonstration von streikenden Eisenbahnern von Polizisten zerstreut wurde, die mit Lathis bewaffnet waren. Der Reporter erlitt einen Armbruch, seine Kamera wurde zertrümmert. Die Polizei hatte eine »amtliche Mitteilung«
    veröffentlicht. Weder der Reporter noch irgendeine andere Person wurde vorsätzlich angegriffen. Chamcha sank in einen Flugschlaf. Die Stadt der verlorenen Vergangenheiten, der gefällten Bäume und der unbeabsichtigten Ausschreitungen schwand aus seinen Gedanken. Als er kurz darauf die Augen wieder öffnete, bot sich ihm die zweite Überraschung auf dieser makaberen Reise. Ein Mann ging auf dem Weg zu r Toilette an ihm vorbei. Er trug einen Bart und eine billige getönte Brille, aber Chamcha erkannte ihn trotzdem: hier, inkognito in der Economy Class auf Flug AI-420, war der verschwundene Superstar, die lebende Legende, Gibril Farishta höchstpersönlich.
    »Gut geschlafen?« Er wurde gewahr, dass die Frage ihm galt, und wandte sich ab von der Erscheinung des großen Kinostars, um die ebenso außerordentliche Sehenswürdigkeit anzustarren, die neben ihm saß, ein unwahrscheinlicher Amerikaner mit Baseballkappe, Nickelbrille und neongrünem Buschhemd, auf dem sich die ineinander verschlungenen und leuchtend goldenen Formen von zwei chinesischen Drachen wanden. Chamcha hatte dieses Wesen aus seinem Gesichtsfeld verbannt, in einem Versuch, sich in einen Kokon der Ungestörtheit zu hüllen, aber Ungestörtheit war nicht länger möglich.
    »Eugene Dumsday, zu Ihren Diensten.« Der Drachenmann streckte ihm eine riesige rote Hand entgegen. »Zu Ihren, und zu Diensten des christlichen Heeres.«
    Der schlaftrunkene Chamcha schüttelte den Kopf. »Sind Sie beim Militär?«
    »Ha, ha! Ja, Sir, so könnte man sagen. Ein gemeiner Fußsoldat, Sir, in der Armee des Herrn des Allmächtigen.« Ach, allmächtiges Heer, warum haben Sie das nicht gleich gesagt.
    »Ich bin ein Mann der Wissenschaft, Sir, und es war meine Mission, meine Mission, und lassen Sie mich hinzufügen, es war mir eine besondere Ehre, Ihre große Nation zu besuchen, um gegen das gefährlichste Teufelszeug zu kämpfen, das den Leuten je ins Gehirn gestiegen ist.«
    »Ich kann Ihnen nicht folgen.«
    Dumsday senkte die Stimme. »Ich rede von Affenscheiße, Sir.
    Vom Darwinismus. Der evolutionären Ketzerei von Mr.
    Charles Darwin.« Sein Tonfall verdeutlichte, dass ihm der Name des gequälten, gottgeplagten Darwin ebenso widerlich war wie der eines jeden anderen T eufels mit gespaltenem Schwanz, Beelzebub, Asmodeus oder Luzifer selbst. »Ich habe Ihre Landsleute gewarnt«, ver traute Dumsday ihm an, »vor Mr. Darwin und seinen Werken. Mit Unterstützung meiner privaten Siebenundfünfzig-Dia-Show. Erst kürzlich, Sir, sprach ich am Tag der Völkerverständigung beim Bankett des Rotary Clubs, in Cochin, Kerala. Ich sprach über mein eigenes Land, über unsere Jugend. Meiner Meinung nach ist sie verloren, Sir. Die Jugend Amerikas. Ich sehe, sie ist verzweifelt, sie nimmt Zuflucht zu Drogen, ja selbst - ich sag’s geradeheraus - zu vorehelichem Geschlechtsverkehr. Und ich habe das dort gesagt, und ich sage es jetzt zu Ihnen. Wenn ich glaubte, mein Urgroßpapa wäre ein Schimpanse gewesen, na, dann wäre ich ziemlich deprimiert.«
    Gibril Fanshta saß auf der anderen Seite des Ganges und starrte aus dem Fenster. Der Film begann, und das Licht wurde gedämpft. Die Frau mit dem Baby war immer noch auf den Beinen, ging auf und ab, vielleicht um das Baby zu beruhigen.
    »Wie ist es angekommen?« fragte Chamcha, da er das Gefühl hatte, dass irgendein Beitrag seinerseits gefordert war.
    Sein Nachbar zögerte. »Ich glaube, mit der Verstärkeranlage war etwas nicht in Ordnung«, sagte Dumsday schließlich. »Das vermute ich zumindest. Diese guten Leute hätten doch nicht angefangen, miteinander zu reden, wenn sie nicht gedacht hätten, dass ich fertig war.«
    Chamcha war ein

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