Die Satanischen Verse
verschwenden…« Er sieht, dass er zu viel gesagt hat.
»Tu, was ich dir sage«, sind Abu Simbels letzte an ihn gerichtete Worte. «Du hast keine Wahl.«
Der Grande räkelt sich in seinem Schlafzimmer, während sich Konkubinen seiner Bedürfnisse annehmen. Kokosnuss öl für sein sich lichtendes Haar, Wein für seinen Gaumen, Zungen für seine Lust. Der Junge hatte recht. Warum fürchte ich Mahound? Müßig beginnt er, die Konkubinen zu zählen, gibt bei fünfzehn auf und lässt die Hand sinken. Der Junge. Hind wird ihn weiterhin treffen, keine Fr age; was für eine Chance hat er gegen ihren Willen? Das ist eine seiner Schwächen, darüber ist er sich im Klaren , er sieht zu viel , toleriert zu viel . Er hat seine Gelüste, warum sollte sie nicht die ihren haben? Solange sie diskret ist; und solange er Bescheid weiß. Er muss Bescheid wissen; Wissen ist sein Rauschgift, seine Sucht. Er kann nicht tolerieren, was er nicht weiß, und aus diesem Grund, wenn schon aus keinem anderen, ist Mahound sein Feind, Mahound mit seiner Lumpenbande, der Junge hatte recht, als er lachte.
Er, der Grande, lacht weniger leicht. Wie sein Gegenspieler ist er ein vorsichtiger Mann, er geht auf leisen Sohlen. Er denkt an den Großen, den Sklaven Bilal: wie sein Herr ihn vor dem Tempel der Lat dazu aufforderte, die Götter aufzuzählen. »Es gibt nur einen Gott«, antwortete er mit dieser gewaltigen, musikalischen Stimme. Blasphemie, darauf steht die Todesstrafe. Er musste sich auf den Marktplatz legen, seine Brust wurde mit einem Steinblock beschwert. Wie viele, sagtest du? Einer, wiederholte er, einer. Ein zweiter Stein wurde dem ersten hinzugefügt. Einer einer einer. Mahound zahlte seinem Besitzer einen hohen Preis und schenkte dem Sklaven die Freiheit.
Nein, denkt Abu Simbel, der junge Baal hatte unrecht, diese Männer sind unsere Zeit wert. Warum fürchte ich Mahound?
Darum: seiner erschreckenden Einzigartigkeit wegen. Wogegen ich mich immer aufteile, immer zwei oder drei oder fünfzehn bin.
Ich kann sogar seinen Standpunkt verstehen; er ist so wohlhabend und erfolgreich wie wir alle, wie alle Ratsmitglieder, aber weil ihm die angemessenen Familienbeziehungen fehlen, haben wir ihm keinen Platz in unserer Gruppe angeboten.
Ausgeschlossen aus der Elite der Händler, weil er Waise ist, und er fühlt sich betrogen, um das, was ihm zusteht, geprellt. Er war schon immer ein ehrgeiziger Bursche. Ehrgeizig, aber ein Einzelgänger. Man kommt nicht an die Spitze, wenn man mutterseelenallein auf einen Hügel steigt. Außer, vielleicht, man begegnet dort einem Engel… ja, das ist es. Ich begreife, was er vorhat. Er würde mich allerdings nicht begreifen. Was für eine Art Idee bin ich? Ich beuge mich. Ich schwanke. Ich berechne die Chancen, ich hänge mein Mäntelchen nach dem Wind, manipuliere, überlebe. Deshalb will ich auch Hind nicht des Ehebruchs anklagen. Wir sind ein gutes Paar, Eis und Feuer.
Das Wappenschild ihrer Familie: der legendäre rote Löwe, der vielzahnige Mantikor. Soll sie sich mit ihrem Satiriker amüsieren; zwischen uns war es nie der Sex. Ich mache ihn fertig, wenn sie mit ihm fertig ist. Das ist eine große Lüge, denkt der Grande von Jahilia, während er in den Schlaf sinkt: die Feder ist mächtiger als das Schwert.
Die Geschicke der Stadt Jahilia gründeten sich auf der Überlegenheit des Sandes über das Wasser. In alten Zeiten hatte es als sicherer gegolten, Waren durch die Wüste und nicht über das Meer zu transportieren, wo jederzeit die Monsunwinde einsetzen konnten. Damals, vor der Meteorologie, waren solche Dinge nicht vorhersagbar. Aus diesem Grund florierten die Karawansereien. Die Güter der Welt kamen von Zafar herauf nach Saba und von dort nach Jahilia und der Oase Yathrib und dann weiter nach Midian, wo Moses lebte; von da nach Aqabah und Ägypten. Von Jahilia nahmen andere Wege ihren Ausgang: in den Osten und Nordosten, nach Mesopotamien und dem großen persischen Reich. Nach Petra und Palmyra, wo Salomo einst die Königin von Saba liebte. Das waren fette Jahre. Aber jetzt sind die Flotten, die die Gewässer rund um die Halbinsel befahren, ausdauernder geworden, ihre Besatzungen kundiger, ihre Navigationsinstrumente genauer. Die Kamelzüge verlieren das Geschäft an die Boote. Wüstenschiff und Meeresschiff, die alte Rivalität, sie erlebt ein Kippen im Kräftegleichgewicht. Jahilias Herrscher sorgen sich, aber sie können nicht viel daran ändern.
Manchmal hegt Abu Simbel den
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