Die Satanischen Verse
oder nicht, ich glaube an ihn, an den Propheten. Er wird nicht nachgeben.« Hamza übt nur sanften Tadel: »Ach Bilal, wie oft muss er es dir noch sagen? Heb dir deinen Glauben für Gott auf. Der Verkünder ist nur ein Mensch.« Die Spannung bricht aus Khalid heraus: er pflanzt sich vor dem alten Hamza auf, fragt fordernd: »Willst du damit sagen, dass der Verkünder schwach ist? Du magst sein Onkel sein…« Hamza versetzt dem Wasserträger einen Backenstreich. » Lasse ihn deine Angst nicht sehen, nicht einmal, wenn du dich halb zu Tode fürchtest.«
Die vier waschen sich gerade wieder, als Mahound eintrifft; sie scharen sich um ihn, werwaswarum. Hamza tritt zurück.
»Neffe, das ist verdammt schlecht«, schnauzt er ihn in militärisch barschem Ton an. »Wenn du vom Coney herunterkommst, ist etwas Strahlendes um dich. Heute ist es etwas Dunkles.«
Mahound sitzt am Brunnenrand und grinst. »Man hat mir ein Geschäft angeboten.« Abu Simbel? ruft Khalid. Undenkbar.
Ablehnen. Der gläubige Bilal ermahnt ihn: »Halte dem Verkünder keine Vorträge. Selbstverständlich hat er abgelehnt.« Salman der Perser fragt: »Was für ein Geschäft?«
Wieder lächelt Mahound. »Zumindest einer von euch will es wissen.«
»Es ist eine Kleinigkeit«, beginnt er von neuem. »Ein Sandkorn. Abu Simbel bittet Allah, er möge ihm einen einzigen kleinen Gefallen erweisen.« Hamza sieht ihm die Erschöpfung an. Als ob er mit einem Teufel gerungen hätte. Der Wasserträger ruft: »Auf keinen Fall! Nie und nimmer!« Hamza bringt ihn zum Schweigen.
»Wenn unser großer Gott es übers Herz bringen könnte einzuräumen - er gebrauchte dieses Wort, einzuräumen - , dass drei, nur drei der dreihundertsechzig Götzen im Haus der Verehrung würdig sind…«
»Es gibt keinen Gott außer Gott!« ruft Bilal. Und seine Freunde stimmen ein: »Ya Alah!« Mahound wird zornig.
»Wollen die Gläubigen den Verkünder anhören?« Sie verstummen und scharren mit den Füßen im Staub.
»Er bittet um Allahs Anerkennung von Lat, Uzza und Manat.
Als Gegenleistung garantiert er, dass wir geduldet, ja sogar offiziell anerkannt werden; und zum Zeichen dessen soll ich in den Rat von Jahilia gewählt werden. So lautet das Angebot.«
Salman der Perser sagt: »Es ist eine Falle. Wenn du auf den Coney steigst und mit einer solchen Botschaft zurückkommst, wird er fragen, wie konntest du Gibril dazu bringen, für genau die richtige Offenbarung zu sorgen? Dann wird er dich einen Scharlatan, einen Betrüger nennen können.« Mahound schüttelt den Kopf. »Du weißt, Salman, ich habe gelernt zuzuhören. Dieses Zuhören ist kein gewöhnliches; es ist auch eine Art Fragen. Oft, wenn mir Gibril erscheint, ist es, als ob er wüsste , was mein Herz bewegt. Meist scheint mir, als ob er aus meinem Herzen käme: aus meinen tiefsten Tiefen, aus meiner Seele.«
»Oder es ist eine andere Falle«, beharrt Salman. »Wie lange schon tragen wir das Glaubensbekenntnis vor, das du uns gebracht hast? Es gibt keinen Gott außer Gott. Was sind wir noch, wenn wir es jetzt aufgeben? Das wird uns schwächen, lächerlich machen. Wir werde n keine Gefahr mehr darstellen. Niemand wird uns je wieder ernstnehmen.«
Mahound lacht, aufrichtig belustigt. »Vielleicht bist du noch nicht lange genug hier«, sagt er freundlich. »Hast du es nicht bemerkt? Die Leute nehmen uns nicht ernst. Wenn ich spreche, habe ich nie mehr als fünfzig Zuhörer, und die Hälfte davon sind Touristen. Liest du die Schmähschriften nicht, die Baal in der ganzen Stadt anschlägt?« Er rezitiert: Verkünder, hör gut zu. Dein Glaube an nur einen Gott Bringt dir nichts als Hohn und Spott. In Jahilia bist der Dumme du.
»Überall verspotten sie uns, und du nennst uns eine Gefahr«, ruft er.
Hamza sieht jetzt besorgt aus. »Nie zuvor hat dich ihre Meinung gekümmert. Warum also jetzt? Nachdem du mit Simbel gesprochen hast?«
Mahound schüttelt den Kopf. »Manchmal denke ich, ich muss es den Leuten einfacher machen zu glauben.«
Ein beklommenes Schweigen legt sich über seine Jünger; sie tauschen Blicke aus, treten von einem Fuß auf den anderen.
Mahound erhebt wieder die Stimme: »Ihr alle wisst , was geschehen ist. Es ist uns nicht gelungen, andere zu bekehren.
Die Menschen wollen ihre Götter nicht aufgeben. Sie wollen einfach nicht.« Er steht auf, ver lässt sie, wäscht sich allein am anderen Ende der Quelle von Zamzam, kniet nieder, um zu beten.
»Die Menschen sind in Dunkelheit versunken«, sagt Bilal
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