Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
Vom Netzwerk:
und sie konnte auch nicht sicher sein, ob es seine Stimme war, die aufschrie, oder ein Hund jaulte. Aber schließlich hörte sie, wie seine Stimme sich zu einem letzten, verzweifelten Aufschrei erhob: »Sieht von ihnen denn niemand fern? Erkennen Sie mich nicht? Ich bin Maxim. Maxim Alien.«
    »Ach, der sind Sie«, sagte der glotzäugige Beamte. »Und ich bin Kermit, der Frosch.«
    Was Saladin Chamcha aber nicht sagte, selbst als klar war, dass etwas furchtbar schiefgegangen war: »Es gibt eine Telefonnummer in London«, diese Information versäumte er, den Polizisten zu geben. »Am anderen Ende der Leitung werden Sie als Bürgen für mich, für die Wahrheit dessen, was ich sage, meine bezaubernde weiße englische Ehefrau finden.«
    Nein, Sir. Scheißegal.
    Rosa Diamond nahm all ihre Kraft zusammen. »Einen Moment noch, Frank Lime«, rief sie laut. »Sehen Sie mal hierher«, aber die drei Männer in Zivil hatten wieder mit ihrer absonderlichen Nummer von Zischen Stöhnen Augenrollen begonnen, und in der Stille, die plötzlich den Raum erfüllte, deutete der Augenroller mit einem zitternden Finger auf Chamcha und sagte: »Lady, wenn Sie Beweise brauchen, dann werden Sie keine besseren finden als die da.«
    Saladin Chamcha, der der Richtung von Glotzauges Finger folgte, hob die Hände an die Stirn, und da wusste er, dass er im erschreckendsten aller Alpträume erwacht war, in einem Alptraum, der soeben erst begonnen hatte, denn was er an seinen Schläfen fühlte, was mit jedem Moment länger wurde und scharf genug war, um Haut blutig zu ritzen, war, kein Zweifel möglich, ein Paar neuer Ziegenbockshörner.
    Bevor das Heer von Polizisten Saladin Chamcha fortbrachte, in sein neues Leben, geschah noch etwas Unerwartetes. Denn als Gibril Farishta das blendende Licht sah und das wahnsinnige Gelächter der Polizeibeamten hörte, kam er in kastanienbraunem Smoking und Reithosen, die aus Henry Diamonds Garderobe stammten und leicht nach Mottenkugeln rochen, die Treppe herunter; er blieb auf dem oberen Treppenabsatz stehen und beobachtete kommentarlos das Geschehen. Er stand dort unbemerkt, bis Chamcha, in Handschellen und auf dem Weg hinaus zur Grünen Minna, barfuß, immer noch die Pyjamahose festhaltend, seiner ansichtig wurde und rief: »Gibril, um Gottes willen, sag ihnen, was los ist.«
    Zischer Stöhner Glotzauge drehten sich gespannt zu Gibril um. »Und wer könnte das sein?« erkundigte sich Inspektor Lime. »Ist der auch vom Himmel gefallen?«
    Doch die Worte erstarben auf seinen Lippen, denn in diesem Moment wurden die Scheinwerfer ausgemacht, wofür Befehl ergangen war, sobald man Chamcha Handschellen angelegt und ihn in polizeilichen Gewahrsam genommen hatte, und nach Verlöschen der sieben Sonnen wurden alle gewahr, dass ein schwaches goldenes Licht von der Umgebung des Mannes im Smoking ausging, ja dass es direkt hinter seinem Kopf in sanftem Glanz erstrahlte. Inspektor Lime würde nie auch nur ein Wort über dieses Licht verlieren, und hätte man ihn irgendwann einmal danach gefragt, hätte er geleugnet, jemals etwas derartiges gesehen zu haben, ein Heiligenschein im ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert, wo kämen wir denn da hin.
    Doch als Gibril fragte: »Was wollen diese Männer?«, da entstand in jedem Mann der heftige Wunsch, diese Frage wahrheitsgetreu und in aller Ausführlichkeit, zu beantworten, ja selbst persönliche Geheimnisse zu enthüllen, so als wäre er, als ob, aber nein, lächerlich, sie würden wochenlang die Köpfe schütteln, bis schließlich alle davon überzeugt waren, das, was sie getan hatten, aus rein logischen Gründen getan zu haben, er war Mrs. Diamonds alter Freund, die zwei hatten diesen Gauner Chamcha halb ertrunken am Strand gefunden und ihn aus rein menschlichen Gründen ins Haus gebracht, keinerlei Veranlassung, Rosa oder auch Mr. Farishta noch länger zu belästigen, ein ganz ehrenwerter Gentleman, das sah man doch gleich, sein Smoking und seine, seine, na ja, exzentrisches Aussehen ist schließlich kein Verbrechen.
    »Gibril«, sagte Saladin Chamcha, »hilf mir.«
    Aber Gibrils Augen waren von Rosa Diamonds Blick gebannt worden. Er sah sie an und konnte nicht wegsehen. Dann nickte er und ging wieder nach oben. Niemand unternahm den Versuch, ihn aufzuhalten.
    Als Chamcha bei der Grünen Minna ankam, sah er den Verräter Gibril Farishta von dem kleinen Balkon oben vor Rosas Schlafzimmer aus auf ihn herabsehen, und nicht ein Fünkchen Licht schien um den Kopf des

Weitere Kostenlose Bücher