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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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zurückzuführen war, reagierte auf die Nachricht von der Eheschließung, indem er verlautete, bestimmt habe auch er sich irgendwann während seiner langen Abwesenheit wieder verheiratet; doch nun, da die Erinnerung an sein früheres Leben zurückgekehrt war, hatte er unglücklicherweise vergessen, was in den Jahren seines Fernbleibens geschehen war. Er ging zur Polizei, um sie zu bitten, seine neue Frau ausfindig zu machen, obgleich er sich überhaupt nicht an sie erinnern konnte, nicht an ihre Augen, nicht einmal an die schlichte Tatsache ihrer Existenz.
    Der Vorhang fiel.
    Saladin Chamcha, allein in einem unbekannten Schlafzimmer in einem ungewohnten rot-weiß-gestreiften Pyjama, lag mit dem Gesicht nach unten auf einem schmalen Bett und weinte.
    »Verdammt seien alle Inder«, schluchzte er in die dämpfenden Bettdecken und schlug mit den Fäusten so wild auf die gerüschten Kissenbezüge von Harrods in Buenos Aires, dass es den fünfzig Jahre alten Stoff in Fetzen riss . »Zum Teufel! Diese Unanständigkeit, diese Scheiß-Scheiß-Geschmacklosigkeit.
    Zum Teufel! Dieses Schwein, diese Schweine und ihr beschissener Mangel an Taktgefühl.«
    In diesem Moment traf die Polizei ein, um ihn festzunehmen.
     
    In der Nacht, nachdem sie die beiden vom Strand zu sich hereingeholt hatte, stand Rosa Diamond wieder am Fenster ihrer schlaflosen Nächte und sah sinnend hinaus auf die neunhundert Jahre alte See. Der mit dem üblen Geruch schlief, seit sie ihn ins Bett gebracht hatten, fest eingepackt mit Wärmflaschen, Schlaf ist das allerbeste, lasse ihn erst mal zu Kräften kommen. Sie h atte die beiden im oberen Stock untergebracht, Chamcha im Gästezimmer und Gibril im früheren Arbeitszimmer ihres toten Mannes, und während sie die schimmernde Weite des Meeres betrachtete, konnte sie ihn dort oben herumlaufen hören, zwischen den ornithologischen Drucken und den Vogelrufpfeifen des verstorbenen Henry Diamond, den Bolas, den Peitschen und den Luftaufnahmen von der Los Alamos Estancia, lang war das her und weit weg; welcher Trost, in diesem Zimmer die Schritte eines Mannes zu hören. Farishta wanderte auf und ab, mied den Schlaf aus anderen Gründen. Und Rosa, die zu der Decke hochsah, auf der er schritt, nannte ihn flüsternd bei einem lange nicht mehr ausgesprochenen Namen. Martin, sagte sie. Der mit demselben Nachnamen wie die tödlichste Schlange seines Landes, die Viper. Die Vibora, de la Cruz.
    Und plötzlich sah sie die Schatten über den Strand ziehen, so als hätte der verbotene Name die Toten heraufbeschworen.
    Nicht noch einmal, dachte sie, und holte ihr Opernglas. Bei ihrer Rückkehr fand sie den Strand voll von Schatten und diesmal hatte sie Angst, denn während die normannische Flotte stolz und offen und ohne Täuschungsmanöver angesegelt kam, wenn sie kam, waren diese Schatten verstohlen, stießen schreckliche, lautlose Verwünschungen und Japs-und Beil-Laute aus, geduckte Gestalten, offenbar ohne Köpfe, mit baumelnden Armen und Beinen, wie riesige ungeschälte Krabben. Hastiges Hin und Her und zur Seite, schwere Stiefel, die auf Kies knirschten. Unmengen von Gestalten. Sie sah, wie sie das Bootshaus erreichten, auf dem ein uralter, verblasster Pirat mit Augenbinde grinsend sein Entermesser schwang, und das war zu viel , das geht zu weit, befand sie und stolperte die Treppe hinunter, um sich etwas Warmes anzuziehen und ihre geliebte Vergeltungswaffe zu holen: die lange Rolle mit dem grünen Gartenschlauch. Vor der Haustür rief sie mit klarer Stimme: »Ich kann Sie ganz deutlich sehen. Kommen Sie her, kommen Sie her, wer Sie auch sein mögen.«
    Sie knipsten sieben Sonnen an und blendeten sie, und da geriet sie in Panik, angestrahlt von den sieben weißblauen Scheinwerfern ringsherum , um die, wie Glühwürmchen oder Satelliten, eine Unmenge kleinerer Lichte summten: Laternen Fackeln Zigaretten. Ihr drehte sich der Kopf, und für einen Moment verlor sie die Fähigkeit, zwischen damals und jetzt zu unterscheiden; in ihrer Aufregung fing sie an zu plappern, macht das Licht aus, wisst ihr nicht, dass Verdunkelung ist, ihr werdet uns die Nazis auf den Hals hetzen, wenn ihr so weitermacht. »Ich rede ja wirres Zeug«, stellte sie angewidert fest und knallte mit der Spitze ihres Stockes auf den Fußabtreter. Woraufhin sich, wie durch Zauberhand, in dem blendenden Kreis von Licht Polizisten materialisierten.
    Wie sich herausstellte, hatte jemand eine verdächtige Person am Strand gemeldet, wisst ihr noch, früher

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