Die Satansbraut
schüttelte über sich selbst den Kopf. Nein, dieser Selbsttäuschung würde er nicht erliegen. Die Sache war im Grunde ganz interessant.
»Was meinst du damit?« fragte Emile.
»Ich meine, daß jeder Mensch für sein Verhalten gute Gründe hat. Wenn sie Lord David den Laufpaß gegeben hat, wird sie sehr gute Gründe dafür gehabt haben. Erinnerst du dich noch daran, daß wir über Motive gesprochen haben? Lord David ist jung, attraktiv, ein durchaus einleuchtender Kandidat, wenn eine Frau einen Liebhaber sucht. Aber Oliver Susson? Charles Grammond? Sie sind mittleren Alters, haben Übergewicht bzw. gebeugte Schultern — nein, nein, Emile, diese Auswahl ist alles andere als zufällig.«
»Lord David behauptet natürlich, er hätte sie satt bekommen, aber das glaubt ihm kein Mensch.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Ich habe einen Abstecher zur Plantage der Grammonds gemacht, um mich von der Familie zu verabschieden. Sie reisen Ende der Woche ab. Charles und ich haben Rum getrunken, und dabei habe ich etwas Interessantes erfahren — allerdings erst, nachdem seine Xanthippe von Frau den Salon verlassen hatte. Die Gerüchte stimmen — er hat tatsächlich einen schönen Batzen Geld verspielt. Hat mein Vater dir von Lord Davids phänomenalem Glück im Spiel erzählt?«
»Ja, und auch einige andere Männer haben mich davor gewarnt, mit ihm Karten zu spielen. Das ist wirklich interessant, Emile. Er verliert beim Kartenspiel mit Lord David viel Geld und muß deshalb seine Plantage verkaufen und Jamaika verlassen — und zufällig grenzt diese Plantage an Camille Hall, und Mr. Theo Burgess kauft sie, weil er ein so feiner, mitleidiger Gentleman ist. Ich frage mich, wieviel er Grammond dafür bezahlt hat ...«
»Das könnte ich herausbringen«, sagte Emile. »Ich hätte ihn vorhin danach fragen sollen, aber es ist mir nicht eingefallen, und außerdem ist seine Frau bald zurückgekommen, und sie jagt mir immer Angst ein.«
»Macht nichts. Jeden Tag fügen sich neue Puzzleteilchen ineinander. Mein Gott, ist das wieder heiß!«
Emile grinste boshaft. »Es ist noch nicht einmal Mittag, Ryder. Ich wollte dich fragen, ob du mich in die Brennerei begleitest.«
»Nur als Leiche. Dieser Ort entspricht nämlich genau meinen Vorstellungen von der Hölle. Eine von Menschen aus Heisch und Blut ersonnene Hölle — grauenhaft. Ich frage mich nur, wie die Sklaven es dort aushalten.«
»Sie sind daran gewöhnt. Außerdem kommen sie alle aus Afrika, einem noch ungastlicheren Land als Jamaika.«
»Trotzdem.« Ryder machte eine Kopfbewegung zur Tür hin, wo Emiles Haushälterin Coco schüchtern um die Ecke lugte.
Emile drehte sich um und runzelte die Stirn. »Was gibt's, Coco?«
Das Mädchen machte einen kleinen Schritt nach vorne, starrte nun aber auf seine nackten Füße hinab. »Ich ... ich muß mit Ihnen sprechen. Es tut mir leid, aber es ist sehr wichtig.«
Emile wandte sich an Ryder. »Sie macht normalerweise nie den Mund auf, folglich muß es wirklich etwas Wichtiges sein. Entschuldige mich einen Moment.«
Ryder fragte sich, was Emiles Haushälterin wohl auf dem Herzen haben mochte, doch dann hatte er das beklemmende Gefühl, von der Hitze versengt zu werden, und er dachte nur noch daran, wie herrlich es wäre, auf dem Gipfel des Ben Nevis nackt im Schnee zu liegen und sich darin zu wälzen, bis er fast erfror. Er dachte sehnsüchtig an dichte weiße Nebelschwaden auf der St .James' Street, die durch jede Kleidung drangen, bis man sich wie ein Eiszapfen fühlte. Ja, sogar ein kalter Londoner Nieselregen, der einem in den Nacken tropfte, kam ihm im Augenblick außerordentlich reizvoll vor.
Dann kehrten seine Gedanken zu Sophie Stanton-Greville zurück. Warum hatte sie Lord David Lochridge den Laufpaß gegeben? Er glaubte zu wissen, warum sie ihn anfangs zu ihrem Liebhaber erkoren hatte, aber er fragte sich, wie zum Teufel er Beweise für seine Theorie finden sollte. Vor allem fragte er sich aber, warum sie ausgerechnet ihn zu ihrem nächsten Liebhaber erwählt hatte. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was jemand davon haben könnte, wenn er mit ihr schlief.
Theo Burgess war bleich vor Zorn, als er in ihr Zimmer trat. »Deine Trägheit ist einfach himmelschreiend. Er hat sich seit zwei Tagen nicht mehr blicken lassen.«
»Ich weiß«, erwiderte sie, während sie sich ihm langsam zuwandte. »Er spielt mit mir.«
»Spiel hin, Spiel her — ich will, daß du nach Kimberly Hall reitest und tust, was ich
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