Die Satansbraut
sich plötzlich um, und sein Gesicht hellte sich auf.
»Ist sie aufgewacht?«
»Ja, Sir. Ich habe ihr gesagt, daß sie still sein und nur mich reden lassen müsse, wie Sie es mir aufgetragen haben. Sie hat ihre Sache wirklich gut gemacht, Sir. Sie hat versucht, ihn zu erstechen.«
»Ja, ich weiß. Nun, mein Junge, hättest du vielleicht Appetit auf Ananastorte? Die Köchin sagt, daß jeder junge Mann, den sie auf der Insel kennt, ihre Ananastorte liebt.«
Jeremy warf einen Blick auf seine Schwester.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Ryder. »Ich bleibe bei ihr. Weg mit dir, Jeremy.«
Er schwieg, bis sich die Tür hinter dem Jungen geschlossen hatte.
»Komm, trink noch etwas Laudanum.«
»Bitte nicht. Ich kann dann nicht richtig denken.«
»Das brauchst du auch nicht. Benommenheit ist allemal besser als der Schmerz. Jeremy ist in Sicherheit, und ich schwöre dir, daß ich ihn beschützen werde. Es gibt keinen Grund für dich, die Märtyrerin zu spielen. Hier, trink das, Sophie.«
Sie gehorchte, und wenige Minuten später fielen ihr die Augen zu, und sie atmete tief.
Er legte frische Eisbeutel auf ihr Gesicht und machte es sich sodann mit weit von sich gestreckten Beinen auf einem Stuhl bequem. Ohne sie aus den Augen zu lassen, kratzte er sich am Kinn. Was zum Teufel sollte er jetzt machen?
Er dachte sehnsüchtig an Zuhause, an seine Brüder und an seine Schwester Sinjun. Er dachte an die Frau seines Bruders, Alexandra, und fragte sich, wie sie inzwischen wohl mit dem Grafen, einem sehr eigensinnigen Mann, auskommen mochte.
Wenn Samuel Grayson nicht all dieses wirre Zeug über seltsame Ereignisse in Kimberly Hall geschrieben hätte, wäre er, Ryder, jetzt gemütlich in England, würde sich an seinen Kindern und an seinen Geliebten erfreuen und mit windzerzausten Haaren über die Klippen reiten, ohne irgendwelche Sorgen zu kennen.
Jetzt hingegen mußte er sich um zwei Menschen große Sorgen machen. Ihm kam zu Bewußtsein, daß sein Leben bisher ganz nach seinen eigenen Wünschen verlaufen war. Er hatte immer gemacht, was er wollte, weil die Vorsehung ihn als Zweitältester Sohn davor bewahrt hatte, Earl of Northcliffe zu werden. Außerdem war ihm das Glück beschieden gewesen, von seinem Onkel Brandon ein riesiges Vermögen zu erben. Mit einem Anflug von Selbstverachtung erkannte er, daß er mit seinem Leben herumgespielt und sich stets genommen hatte, was er begehrte, ohne sich ernsthaft Gedanken über die Konsequenzen zu machen. Die meisten Menschen mochten ihn. Er war charmant und fröhlich, und er verhielt sich stets ehrenhaft. Nun sah er sich plötzlich in einem anderen Licht. Wenn er ein Ehrenmann war, so hauptsächlich deshalb, weil es für ihn nie einen Grund gegeben hatte, es nicht zu sein. Seine Ehrenhaftigkeit, seine Integrität war nie wirklich auf die Probe gestellt worden. Vielleicht könnte man ihn wegen der Kinder loben, aber das war etwas ganz anderes, etwas, das er einfach tun mußte. Aber auch das bereitete ihm Freude und stellte für ihn keinerlei Belastung dar.
Nun aber hatte er plötzlich jede Kontrolle über die Geschehnisse verloren. Er wollte nicht in diese verdammte Geschichte hineingezogen werden, aber jetzt steckte er bereits mitten drin. Er betrachtete das mißhandelte Mädchen auf seinem Bett, das es geschafft hatte, diesen Schweinehund zu verwunden. An Mut fehlte es Sophie zweifellos nicht. Er konnte sie jetzt nicht einfach ihrem Schicksal überlassen, weder sie noch ihren Bruder, auch wenn er insgeheim noch so sehr fluchen mochte.
KAPITEL 7
Sonnenlicht fiel ins Schlafzimmer und wärmte Sophies Gesicht. Sie schlug die Augen auf und befragte ihren Körper. Die Schmerzen hatten seit gestern nachgelassen. Seit zwei Tagen lag sie nun schon hier und fragte sich, was wohl als nächstes geschehen würde. Sie haßte ihre Hilflosigkeit. Sie mußte aufstehen, sie mußte etwas tun, wenn sie auch noch nicht wüßte, was; der erste Schritt bestand jedenfalls darin, ihre Füße auf den Boden zu bekommen. Sie schaffte es, sich aufzusetzen, stöhnte und fiel keuchend wieder zurück, weil der Schmerz in den Rippen unerträglich war. Sie schloß die Augen und zählte langsam bis zehn. Wenigstens konnte sie schmerzfrei die Augen schließen und sogar blinzeln. Das Eis, das Ryder immer wieder aufgelegt hatte, hatte die Schwellungen merklich zurückgehen lassen. Ah, aber ihre Rippen! Sie schmeckte Blut und wußte, daß sie sich in die Unterlippe gebissen hatte. Aber das spielte keine Rolle.
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