Die Satansbraut
nächsten Morgen hatte sie keinen Schmerz, nicht einmal das geringste Unbehagen verspürt. Nein, er hatte ihr nicht weh getan.
Und außerdem handelte es sich ja vorerst nur um eine einzige Nacht.
Trotzdem fürchtete sie sich. Nervös befingerte sie das weiche Musselinkleid, das Coco mit flinker Nadel innerhalb weniger Stunden genäht hatte. Es war wunderschön und schneeweiß, und darüber mußte sie lächeln. »Du wirst wie eine Opferjungfrau aussehen«, hatte Ryder gesagt, als sie ihm das fast fertige Kleid vorführte.
Sie wünschte, der Vikar käme zum Ende. Ihr war leicht übel. Sie hatte Angst, nicht nur vor Ryder, sondern auch vor Sherman Cole, und sie fragte sich, ob sie und Jeremy morgen tatsächlich an Bord jenes Schiffes sein würden, ein für allemal in Sicherheit.
Als Ryder vorhin in ihr Zimmer gekommen war, um sie zum Abendessen abzuholen, hochelegant und verdammt attraktiv, hatte er ihr zugelächelt und gesagt: »Du bist schön, weißt du das?«
Sie hatte achselzuckend erwidert: »Halbwegs passabel, würde ich sagen.«
»Nein, schön. Bist du bereit? Der Vikar ist da. Wir werden vor der Trauung zu Abend essen. Es tut mir leid, daß du niemanden von Camille Hall dabei haben wirst, aber das können wir nicht riskieren.«
»Du brauchst mich nicht zu heiraten, Ryder.«
»Sei still«, hatte er freundlich gesagt, ihr seinen Arm angeboten und sie die breite Treppe hinabgeführt.
Ryder bemerkte ihr Zittern, als er sein Eheversprechen ablegte. »Hab keine Angst«, flüsterte er ihr zu. »Vertrau mir. Bald wird es vorbei sein, und dann wird dir nie wieder etwas Schlimmes widerfahren.«
Sie glaubte ihm nicht, aber das konnte sie ihm jetzt, da er ihr Ehemann wurde, kaum sagen. Und Jeremy lächelte selig, so als hätte man ihm die ganze Welt zu Füßen gelegt. Sie wunderte sich, wie leicht Ryder das Herz des Jungen erobert hatte.
Die Zeremonie war beendet. Das Brautpaar wurde beglückwünscht. Samuel sah hocherfreut und zutiefst erleichtert aus. Er umarmte Sophie und sagte leise: »Nun wird für dich alles gut, meine Liebe. Ich glaube von jeher, daß alles, was geschieht, einen tieferen Sinn hat. Dir und Jeremy war es bestimmt, Jamaika zu verlassen und nach England zurückzukehren. Du kannst deinem Ehemann vertrauen. Sobald Ryder den richtigen Weg erkannt hat, schlägt er ihn ein, ohne zu zögern. Ja, Sophie, vertrau ihm, denn er ist ein sehr guter Mensch.«
Sie betrachtete ihren Ehemann, der Jeremy an sich drückte. Der Junge redete lebhaft auf ihn ein, und Ryder nickte lachend.
Und dann erstarb all das fröhliche Geplauder mit einem Schlag. Ryder blickte auf und sah Sherman Cole auf der Schwelle des Salons stehen.
Sophie wäre am liebsten im Mangrove-Sumpf versunken. Sie stand regungslos da und beobachtete Ryder, der auf Cole zuging.
»Welch eine Freude, Mr. Cole! Allerdings waren Sie nicht eingeladen. Was wollen Sie denn jetzt schon wieder?«
Sherman Cole sah sich im Zimmer um und starrte Sophie an, die in ihrem weißen Hochzeitskleid einer bleichen Statue glich. Samuel stand dicht daneben, Arm in Arm mit ihr, und Cole rief unwillkürlich: »Großer Gott, glauben Sie wirklich, die kleine Nutte durch eine Hochzeit retten zu können? Hat dieser Narr von Grayson sie wirklich geheiratet? Hat er das Flittchen wirklich geheiratet?«
Ryder seufzte. »Habe ich Sie nicht schon einmal gewarnt? Sie sind offenbar sehr begriffsstutzig, Sir, und Sie stören hier ungemein.«
»Aber er kann unmöglich mit ihr verheiratet sein! Hören Sie, Samuel, es ändert nichts an der Sachlage. Sie hat ihren armen Onkel ermordet, und ich werde sie morgen verhaften, sobald wir Burgess' Leiche untersucht haben. Sie werden also nur eine einzige Nacht mit ihr haben, nicht mehr. Genießen Sie sie deshalb! Und dann werde ich an der Reihe sein ... das heißt, ich werde dafür sorgen, daß die Gerechtigkeit obsiegt und ...«
Ryder versetzte ihm einen kräftigen Kinnhaken, und Sherman Cole sackte in sich zusammen. Ryder packte ihn unter den Armen und zerrte ihn mühsam hinter einen Stuhl, so daß er nicht mehr zu sehen war. Dann grinste er Sophie zu und rieb sich die Hände.
»Das hat Spaß gemacht!« rief er vergnügt. »Emile, wenn er wieder zu sich kommt, solltest du ihn vielleicht nach Montego Bay zurückbegleiten. Ich finde es großartig, daß er glaubt, Sophie wäre mit deinem Vater verheiratet. Dann ahnt er nichts Böses und bleibt siegessicher.«
»Gehen wir ins Eßzimmer«, schlug Samuel vor. »Ich möchte dem Brautpaar
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