Die Satansbraut
einfach tun. Nenn es Ehre. Nenn es Gewissenbisse. Samuel hat gesagt, ich hätte dich zugrunde gerichtet. Vielleicht trägst du sogar mein Kind in dir. Und jetzt kommt noch hinzu, daß du den Hals fast schon in der Schlinge hast. Komm mit. Wir haben beide noch eine Menge zu tun.«
Sie lief neben ihm her und starrte blindlings vor sich hin. Wie war es nur möglich, daß das Leben sich von einer Sekunde zur anderen so von Grund auf ändern konnte?
KAPITEL 11
Der Vikar, Jacob Mathers, war ein dürrer kleiner Mann mit weißem Haarschopf, der wie ein Hahnenkamm hochstand. Er kannte natürlich alle Klatschgeschichten, beteiligte sich aber nicht am Gerede, sondern beschränkte sich aufs aufmerksame Zuhören, besonders wenn er ein Glas Rumpunsch in der Hand hatte, und gab kaum etwas auf das Gehörte. Seit über zwanzig Jahren war er ein enger Freund von Samuel Grayson, und deshalb nahm er die Einladung zum Abendessen mit Freuden an. Als er nach dem Essen erfuhr, daß von ihm noch eine Amtshandlung erwartet wurde, blinzelte er kurz, warf Samuel einen ratsuchenden Blick zu und wurde durch ein Lächeln und Kopfnicken ermutigt.
Wenn Samuel das für richtig hielt, war der Vikar bereit, die beiden ungleichen jungen Menschen zu trauen, und er nahm auch Ryders Angebot an, bis zum nächsten Nachmittag die Gastfreundschaft von Kimberly Hall zu genießen. Sophies Ruf war ihm ebenso bekannt wie Sherman Coles leidenschaftlicher Wunsch, das Mädchen zu verhaften, und er erriet auch Coles Motive. Schließlich hatte er es in seinem Beruf hauptsächlich mit menschlichen Schwächen zu tun. Aber er war weder dumm noch herzlos, und übermäßige Neugier schien ihm in diesem Falle nicht angebracht. Er wollte die Einzelheiten gar nicht wissen.
Alle stellten sich auf. Reverend Mathers hatte eine bemerkenswert tiefe Stimme, volltönend und beruhigend, an diesem Abend noch verstärkt durch die drei Glas Rumpunsch, die er beim Essen getrunken hatte. Bald neigte sich die kurze Zeremonie dem Ende zu. Er war erleichtert, daß die junge Dame nicht in Ohnmacht gefallen war. Ihre Blässe war beängstigend, ihre Augen wirkten riesig und sehr dunkel, und ihre Antworten waren kaum mehr als ein Flüstern. Was Ryder Sherbrooke betraf, so sah der junge Mann vom Scheitel bis zur Sohle wie der perfekte englische Aristokrat aus, und seine Stimme war kräftig und ruhig. Falls ihm ebenso unbehaglich zumute war wie seiner Braut, wußte er es jedenfalls gut zu verbergen.
Ryder fragte sich, was wohl in Sophie vorgehen mochte. Er wußte genau, daß nur der Gedanke an den Galgen sie bewogen hatte, ihn zu heiraten. Nicht gerade ein Kompliment für den Bräutigam! Nun ja, bald würde es vollbracht sein. Bald würde sie seine Frau sein. Und er wünschte sich das wirklich, wie ihm plötzlich zu seinem eigenen Erstaunen bewußt wurde. Er wollte sie in Sicherheit wissen, sie und Jeremy.
Als sie ein sehr schwaches »Ich will« flüsterte, drückte er ihre Hand, während ihm durch den Kopf ging, daß ihre unsprüngliche Weigerung auf Ehrgefühl und Ehrlichkeit hindeutete. Auch schien sie ihn überhaupt nicht zu begehren, aber das konnte er in Anbetracht ihrer Erfahrungen gut verstehen. Er würde sie bald dazu bringen, in dieser Hinsicht ihre Meinung zu ändern. Schließlich war er kein Tölpel. Er dachte an all die Frauen, die er gehabt und glücklich gemacht hatte, mit denen er gelacht und gescherzt hatte. Und nun war er an die einzige Frau gebunden, die ihn nicht wollte, die ihn nur heiratete, weil ihr keine andere Wahl blieb. Zumindest das hatten sie gemeinsam. Auch ihm wäre normalerweise nie in den Sinn gekommen, sie zu heiraten. Nur seine Ehre gebot es ihm, weiter nichts.
Sophie war froh, die Antwort über die Lippen gebracht zu haben, ärgerte sich aber darüber, daß sie sich wie eine blökende Ziege angehört hatte. Tatsache war jedoch, daß sie Angst vor ihm hatte, obwohl ihr bewußt war, daß er sie vor einem schmachvollen Tod rettete.
Sobald sie seine Frau war, konnte er mit ihr machen, was immer er wollte. Das wußte sie, weil ihr Onkel es ihr oft genug unter die Nase gerieben hatte. Sie glaubte nicht, daß Ryder sie schlagen würde. Zu dieser Kategorie von Männern gehörte er bestimmt nicht. Nein, was ihr Angst machte, war sein Anrecht auf ihren Körper: er konnte sie nehmen, wann immer und wie immer er wollte. Andererseits hatte er sie ja bereits gehabt und ihren Körper gesehen, genauso wie sie den seinen. Und er hatte sie nicht verletzt, denn am
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