Die Satanswelt
verhört. Die Shenna stellten ihre Fragen ohne System, oft aus einem Impuls heraus. Es kam auch vor, daß die Vernehmungen in Prahlereien oder Drohungen ausarteten. Van Rijn gab viele wahrheitsgemäße Antworten, da die Fremden sie auch von Thea hätte erhalten können – über die Natur und die Aktivitäten der Polesotechnischen Liga; malerische Einzelheiten über diese oder jene Lebensform, die eine oder andere Kultur. Thea war sichtlich bekümmert über das Verhalten ihrer Gebieter und versuchte manches auszubügeln. Da van Rijn sich ihr gegenüber nachgiebig zeigte, gelang es ihm manchmal, sie auszuhorchen. So …
»Lord Nimran möchte mehr über die Frühgeschichte der Erde erfahren«, übermittelte sie dem Kaufmann. »Er ist besonders an Fällen interessiert, wo eine Zivilisation das Erbe einer anderen antrat.«
»Wie die Griechen das der Minoer oder die Türken das der Byzantiner?« fragte van Rijn. »Sind nicht vergleichbar, die einzelnen Fälle. Und liegt alles weit zurück. Weshalb will er das wissen?«
Er sah Thea nicht, da die Unterredungen per Hyperkom stattfanden, aber er konnte sich vorstellen, wie sie errötete. »Er will es wissen, und das genügt.«
»Oh, mir ist es gleich. Ich halte gerne Vorträge. Habe sonst nichts zu tun – und solange Bier da ist, um zu ölen die Kehle …«
Offenbar wurde der Minotaurus ungeduldig, denn Thea bat mit angestrengter Stimme: »Fordern Sie ihn nicht heraus! Im Zorn ist er schrecklich.«
»Ja, ja, schon gut, ich versuche nur, ihm zu helfen. Aber richten Sie ihm aus, daß ich muß erfahren, wo er will vertiefen sein Wissen – und warum. Ich habe nicht gewonnen den Eindruck, daß die Shenn-Kultur besitzt Wissenschaftler, die Dinge fragen aus reiner Neugier.«
»Menschen übertreiben die Neugier. Ein Zug ihrer Ahnen, der Affen.«
»Schon möglich. Hat jede Rasse ihre eigenen Instinkte. Okay, es gibt also keine echte Wissenschaft auf Dathyna. Nur Interesse an praktischen Dingen.«
»Sie vereinfachen zu sehr.«
»Weiß ich. Läßt sich nicht beschreiben jedes Einzelwesen in ein paar Worten, geschweige eine ganze intelligente Rasse. Klar. Aber grob gesprochen, habe ich recht, daß diese Gesellschaft sich nichts macht aus abstrakter Wissenschaft?«
»Hm – vielleicht.« Es kam eine lange Pause, in der Thea vermutlich Nimran beruhigte.
Van Rijn wischte sich den Bierschaum vom Schnurrbart und sagte: »Ich entnehme daraus, daß es gibt nur eine Shenn-Zivilisation?«
»Ja, aber nun antworten Sie, bevor er die Beherrschung verliert!«
»Ich habe doch gesagt, Liebes, daß mir seine Frage ist nicht klar. Er besitzt keine wissenschaftliche Neugier, also möchte er erfahren Dinge, die sich anwenden lassen auf die Situation von Dathyna. Richtig?«
Sie bejahte zögernd.
Auf diese Weise bestätigte sich wieder eine von seinen Vermutungen. Die Shenna hatten die großartige kybernetische Struktur, die sie benutzten, nicht selbst geschaffen. Sie übernahmen sie von einer früheren Rasse, zusammen mit anderen Dingen. Dennoch schien viel verlorengegangen zu sein, denn die Shenn hausten wie Barbaren in einem Gebäude, das zivilisierte Wesen errichtet hatten.
Sie waren Vegetarier, aber das machte sie nicht weniger gefährlich. (Welche Art von Evolution konnte kriegerische Vegetarier hervorbringen?)
Sie besaßen genug Verstand, um den Tip des Serendipity- Komputers hinsichtlich Beta Crucis zu begreifen. Sie erkannten die industriellen Möglichkeiten. Aber ihnen ging es in der Hauptsache darum, die Eiswelt anderen vorzuenthalten, nicht, sie selbst auszunutzen. Denn sie waren weder bedeutende Kaufleute noch Hersteller. Alles, was sie zum Leben brauchten, erhielten sie von den Robotern. Sie hatten kein Verlangen nach kommerziellen oder intellektuellen Beziehungen zu technischen Zivilisationen. Im Gegenteil, sie schienen eine Koexistenz für unmöglich zu halten.
Die Serendipify-Organisation war typisch für sie. Als sie auf die ersten Rassen stießen, die am Rande der technischen Zivilisation den Raum erforschten und kolonisierten, machten sie sich daran, diese Fremden zu studieren. Ihre Methoden wechselten von Fall zu Fall, waren aber nicht unbedingt mit Gewalt verknüpft. Ein Shenn konnte auch List entfalten. Ein besonders kluger Kopf unter ihnen kam auf den Gedanken, Spione ins feindliche Territorium zu schleusen – Spione, die auf die eifrige Mitarbeit ihrer Opfer zählen konnten. Seine Gefährten halfen ihm, dieses Unternehmen zu starten. Kein Shenn besaß die
Weitere Kostenlose Bücher