Die Satojerin (German Edition)
den Augen
andere Menschen als so wunderbar, dass sie der Meinung war, in diesem kurzen
Moment offenbarte das Gegenüber stets einen Teil seiner Seele. Dieses Mal
allerdings schnürte genau dieser Blick Allys Kehle zu. Sie verstand zwar nicht,
warum und sie verstand auch nicht, wieso Ari für ihren Kampflehrer Liebe
empfand, aber etwas stimmte hier ganz und gar nicht. Carr merkte dies und legte
seinen Arm ganz sanft um ihre Taille, während er ihr ins Ohr flüsterte: „Setzen
Sie sich, Mylady. “ Sie sah im
Augenwinkel, dass Ari dies beobachtet hatte und sich pl ö tzlich argw ö hnisch von ihr abwandte. Nun war es still im Raum. Juna, der sich
aus einer Ecke des Raumes das ganze Schauspiel mit angeschaut hatte, unterbrach
die Ruhe. „ Ari, schön dich zu
sehen! “ Ally bemerkte, wie sich Aris Mimik schlagartig
ver ä nderte und er freudig ihren Bruder umarmte. Er
schien sich wirklich ü ber Junas
Gesellschaft zu freuen. „ Was ist mit
deinem Auge passiert, Ari? Hattest du eine Schl ä gerei? “ Seine
Reaktion war so schnell, als hätte er sich eine Antwort bereits zurechtgelegt. „ Ich bin “, er schaute einen Bruchteil von einer Sekunde zu Ally und ihre
Blicke trafen sich, „ durch eine
dunkle Gasse gelaufen, in der man die Hand nicht vor den Augen sah. Ich war v ö llig in Gedanken versunken, wollte abbiegen und
habe die Kurve nicht bekommen. Somit lief ich gegen eine Mauer. Kannst du dir
das vorstellen? Wie peinlich das ist? Es wäre mir lieber, ich könnte mich mit
einer Schlägerei brüsten. “ Ally
rollte die Augen. Na super! Hätte dir nicht etwas Besseres einfallen können?
Eine Kneipenschlägerei. Ein Raubüberfall. Eine holde Maid, die du vor einem
Drachen retten musstest. Aber doch nicht das . Sie schüttelte den
Kopf, während Juna ihm belustigt antwortete. „ Scheinbar laufen hier alle blind durch die Gegend. Oder die Mauern
in Asuda bewegen sich, ohne dass man es merkt. Meine Schwester läuft auch
liebend gerne gegen Wände und Mauern. Allerdings ist das bei ihr schon zwei
Nächte her. “
Ally sprang auf. „ Ich muss mich fertigmachen, denn wie ihr wisst, lerne ich gleich
meinen neuen Kampflehrer kennen! Wir sehen uns unten. “ Ally lief los. Sie lief so lange schnell durch
die G ä nge, bis sie wusste, dass keiner sie mehr
beobachtete und sie stehen bleiben konnte. Sie atmete tief durch. Ruhig … ruhig
… Ruhe und Gelassenheit. In ihr brodelte es. Ihr ganzer Körper benahm sich
alles andere als ruhig und gelassen. Ruhe und Gelassenheit. Atmen Ally,
atmen! Ruhe und Gelassenheit. Wenn sie außer sich war, hatte sie ihre
Energie so gut wie nicht mehr im Griff. Manchmal dachte sie, dass sie dann
Wände hochlaufen könnte oder kurz vor dem Losgehen war, genau wie eine Bombe,
vor der man sich in Sicherheit bringen musste. Mit tiefem Ein- und Ausatmen
sowie der beiden Worte gelang es ihr allerdings immer öfter, dass sie nicht
explodierte. Sie hatte sich wieder einigermaßen im Griff und ging los zum
Übungsplatz. Als sie ankam, war sie erleichtert, dass noch niemand dort war,
und nutzte die Gelegenheit, um sich gleich ein wenig warm zu machen. Sie
preschte los und konzentrierte ihre ganze Wut auf die Übungspuppe. Ihr Bein
flog in die Luft und traf die Puppe am Kopf. Einmal, zweimal, dreimal, viermal,
…, …, mit dem rechten Bein, mit dem linken Bein. Nun durften ihre Arme, die es
bereits kaum mehr erwarten konnte, ihre Spannung abzubauen, ihren Dienst tun.
Ally prügelte all ihre Wut hinaus. Natürlich hätte sie auch laufen können. Auch
das hätte sie beruhigt, aber sie war nun einmal hier und das war gut so. Ein
wenig Aufwärmen würde nicht schaden, sie hatte ja schließlich keine Ahnung, wie
kraftvoll und trainiert ihr Gegner sein würde. Als sie wieder ruhiger wurde und
merkte, dass sich die Anspannung in ihrem Körper sichtlich abgebaut hatte,
bemerkte sie, dass sie jemand beobachtete. Es war dieses seltsame Empfinden,
wenn man die Augen einer anderen Person im eigenen Rücken spürte. Sie drehte sich
ruckartig herum und sah, dass sie richtig lag. Sie wurde sogar von zwei
Personen beobachtet, die sich allerdings gegenseitig nicht im Blickfeld hatten.
Oben, im ersten Stockwerk stand Carr, ruhig und gerade. Fast glich er einer
Statue, nur seine Augen bewegten sich und er verfolgte aufmerksam Allys
Treiben. Im Erdgeschoss, auf ihrer Ebene weiter rechts, stand Ari. Locker an
einen Pfeiler gelehnt und sie mit seinen Augen fixierend. Sie konnte nicht
deuten, wie er sich fühlte, denn
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