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Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition)

Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition)

Titel: Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Millar
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Stunden.«
    »Oh! Ehe ich es vergesse, im Billy Holidays steigt am Freitagabend eine Party zu Ivanas Geburtstag. Wir müssen ein Geschenk besorgen.«
    »Ich bin nicht in der Stimmung für Partys.«
    »Ich habe ihr versprochen, dass wir kommen. Sie rechnet mit uns. Wir dürfen sie nicht enttäuschen. Wie viel Geld hast du? Ich kaufe ihr etwas Hübsches.«
    »Würden eine Flasche billiger Wein von Tesco und eine Karte nicht auch reichen?«
    Naomi lächelte und streckte eine Hand aus. »Her damit, her damit, her damit, her damit«, sang sie.
    »Okay, okay. Mach nicht so ein Theater«, sagte Karl, nahm die Brieftasche zur Hand und zückte widerwillig zwei Zwanziger.
    »Etwas mehr sollte es schon sein. Ich habe bei Lunn’s eine hübsche Halskette gesehen. Die kostet zweihundert.«
    »Zwei …? Hast du den Verstand verloren, Naomi? Es ist der Geburtstag von Ivana, nicht der Scheißgeburtstag von Elizabeth Taylor.«
    »Hör auf zu jammern. Sie ist meine beste Freundin. Sie hat sich um mich gekümmert und mich bei sich aufgenommen, als ich nach Belfast gekommen bin, lange bevor du auf der Bildfläche erschienen bist. Gib mir einfach noch zwei Zwanziger, den Rest lege ich dann drauf.«
    »Am Monatsende ist wieder die Scheißmiete fällig«, brummelte Karl, rückte das Geld heraus und floh aus dem Zimmer.
    Als er in der nachmittäglichen Hitze auf die Hill Street hinaustrat, fühlte er sich augenblicklich, als hätte ihm jemand eine Plastiktüte über den Kopf gestreift. Heiß. Drückend. Die Sonne stand in einem geisterhaften Dunst am Himmel. Er sog die Luft ein. Sie schmeckte nach Abgasen. Wo er auch hinsah, atmeten die Leute die toxischen Verkehrsgase ein wie Fische auf dem Trockenen.
    Die Leute sagten, dass dieses drückende, erstickende Wetter die Menschen in Belfast um den Verstand brachte. Manchmal machten sie die seltsamsten Dinge. Darauf erwiderte Karl stets liebenswürdig, dass die Menschen in Belfast keine Ausrede brauchten, um die seltsamsten Dinge zu tun.
    Ein Wetter für Mad Dogs and Englishmen
, dachte Karl und fuhr sich mit einem feuchten Taschentuch über die Stirn, während er an dem palastartigen Merchant Hotel in der Waring Street vorbeiging.
Du bist weder das eine noch das andere, du Trottel, also warum lässt du dir hier draußen dein restliches bisschen Hirn von der Sonne ausdörren?
    Von seiner Wohnung aus waren es nur fünf Minuten zu Fuß, doch die drückende Hitze laugte ihn aus und machte ihn noch gereizter, als er es ohnehin schon war. Und als wäre das noch nicht genug, brachten ihn seine Stirnhöhlen um; seine Augenlider fühlten sich jedes Mal wie Schmirgelpapier an, wenn er Schweiß wegblinzelte. Zum Glück nervten ihn wenigstens seine Hämorrhoiden nicht.
    Als er eilig die Victoria Street überquerte und den Custom House Square betrat, erblickte er eine Gruppe Obdachloser im Schatten einer alten, verfallenen Kirche, nicht weit von dem eindrucksvollen, im italienischen Renaissancestil erbauten Gebäude des Custom House. Die Obdachlosen sahen halb verhungert aus und saßen nebeneinander an der Kirchenwand, aufgereiht wie Bleistifte in einem billigen Schreibwarengeschäft, bis sie plötzlich im Inneren verschwanden.
    »Was für ein Leben«, murmelte Karl.
    Die menschenunwürdigen Bedingungen, unter denen die Obdachlosen in seiner Heimatstadt existieren mussten, schockierten Karl immer wieder. Er war der festen Überzeugung, dass ihre wachsende Zahl durch eine obszöne Dichotomie gefördert wurde, da nur wenige Straßen entfernt, an der Uferpromenade, die Wohlhabenden die Kassen von korrupten und schmierigen Politikern und Stadträten füllten und deren Pläne unterstützten, die Obdachlosen mithilfe von Schlägern mit und ohne Uniform aus dem öffentlichen Blickfeld zu verbannen.
    In der brütenden Hitze hatte Karl den Eindruck, als würde sich die Kirche aufblähen und noch längere Schatten auf die Straßen werfen. Die Tage der Klingelbeutel und brennenden Kerzen waren längst gezählt, aber dennoch sah er die Kirche in seiner agnostisch vorbelasteten Fantasie mit unheilvollen Engeln bevölkert, deren Gesichter ausnahmslos dem farbenfrohen Baldachin des Betonhimmels zugewandt waren.
    »Hallo? Ist hier jemand?«, fragte er laut und streckte probehalber den Kopf zur großen, verschnörkelten Tür der Kirche hinein. »Hallo? Ist da …?«
    »Steck bloß nicht deinen verdammten Kopf in unser Haus!«, brüllte jemand so lautstark, dass Karl hastig zurückwich.
    Ein Bär von einem Mann mit einem

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