Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition)

Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition)

Titel: Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Millar
Vom Netzwerk:
Meer sich von dem einsamen Strandabschnitt zurückzog. Die Ebbe hinterließ eine solide Einsamkeit, die schwer auf allem lastete, das zurückblieb. Ein Mond, weiß wie Gebeine, verschwand zuzeiten hinter gespenstischen, orangeroten Wolken, die dem Nachthimmel einen dunkelroten Farbton verliehen. Das Ozon über der Küste brachte einen Gestank mit sich, der dem des gerinnenden Blutes in seinen Nasenlöchern glich.
    Als Knabe kam er gern zur Küste, fing Krabben, drehte sie auf den Rücken und schnitt sie auf, um zu sehen, wie sie im Innersten funktionierten. Aber heute Abend nicht. Heute Abend war er aus einem ganz anderen Grund hier …
    Er stand auf, ging zum Auto zurück, öffnete beiläufig den Kofferraum und spürte dabei die ganze Zeit das Mondlicht auf seinem nackten Körper. Winzige Elektroschocks kitzelten ihn dicht unter der Haut.
    Herrlich.
    Plötzlich flüsterten ganze Schwärme von Nachtfaltern mit ihrem Flügelschlag in seinen Ohren. Es war ein beruhigendes Geräusch, während er den Filzbelag wegnahm und die Schwärze darunter entblößte.
    Der Leichnam des Mädchens war straff von einer schwarzen Plane umhüllt. Klar und deutlich sah er die Nase, die sich unter dem Plastik abzeichnete, das kleine fassungslose »O« des Mundes.
    Er beugte sich in den Kofferraum und küsste den staunend geöffneten Mund. Neuerliche, erlösende elektrische Schauer liefen durch seinen Körper. Als er den Leichnam emporhob, wölbten sich seine kräftigen Oberarmmuskeln vor Anstrengung. Ein paar Minuten lauschte er der Stille, dann näherte er sich der sandigen Landzunge. Seine Bewegungen waren langsam und zielstrebig, wie die von Frankensteins gottloser Kreatur, die in die Nacht schlurfte.
    Der Uferstreifen war fest, doch je weiter er hinausschritt, desto tiefer sank er unter der Last in den Sand. Zwei Mal wäre er fast gestolpert, doch das Gewicht der Toten, die er trug, half ihm, das Gleichgewicht zu behalten.
    Zehn Minuten später reichte ihm das kalte Meerwasser schließlich bis zur Brust. Er spürte dessen tückische Kraft, als er den Leichnam mit einer Hand an der Oberfläche hielt und mit der anderen die Plane aufriss.
    Sie blickte ihm aus der Plane entgegen, ein lebloses Auge scheinbar über seine Schulter zum Mond gerichtet. Das andere Auge fehlte; Wasser, das über ihre grauen Wangen spülte, sammelte sich in der leeren Höhle, während sie auf der Oberfläche dahindümpelte. Das Wasser spülte die Reste von Blut an der Leiche fort und ließ eine blasse Narbe erkennen, die vom Halsansatz bis zur Mitte der Brust verlief: Überreste eines Schnittes, vorsätzlich und grausam ausgeführt.
    Unvermittelt schlug, wie bei einer Taufe, plötzlich eine Welle über ihm zusammen und entriss den Leichnam seinem Griff. Er kämpfte um Halt, musste sich jedoch dem Sog des Wassers geschlagen geben und verlor das Gleichgewicht.
    Wenige Sekunden später war sie verschwunden. Endlich frei.

Kapitel Zwölf
    »Er is ’n alter Kumpel von mir – oh, und er is ’n guter Mann, ’n guuuuter Mann.«
    Sean O’Casey, Juno und der Pfau
    »Was machst du mit dem, was uns Ivana gestern erzählt hat?«, fragte Naomi, die Füße auf dem Sofa und eine Ausgabe von
Northern Woman
neben sich.
    »Ich kann nicht viel machen, außer, alles an die Polizei zu geben – was ich heute Morgen getan habe, als du noch tief und fest deinen Kater ausgeschlafen hast«, sagte Karl und reichte ihr eine dampfende Tasse Kaffee. »Ich habe die Informationen als anonymer, besorgter Bürger weitergegeben und meine beste Humphrey-Bogart-Parodie abgespult, um meine Stimme unkenntlich zu machen.«
    »Du hast Wilson doch nicht persönlich angerufen, oder?«, fragte Naomi mit verwirrter Miene. »Ich hatte gedacht …«
    »Du solltest nichts denken. Wer zu viel denkt, ist schnell im Po.«
    »Arsch. Es heißt im Arsch, Karl. Nicht Po.«
    »Das war die in Belfast statthafte Version«, sagte Karl grinsend.
    »Was läuft da zwischen deinem Schwager und dir, Karl? Irgendwas stimmt doch da nicht.«
    »
Ex
schwager. Familienangelegenheit. Mehr nicht. Je weniger wir uns sehen, desto besser. Jedenfalls habe ich vor einer Stunde mit Hicks gesprochen, um ihn zu fragen, was die Polizei bisher unternommen hat. Er sagte, die unternehmen einen Scheißdreck.«
    »Ist das dein Ernst?«
    »Mister Robert Hannah ist ein hoch angesehenes Mitglied der Gesellschaft. Die haben mir mehr oder weniger ins Gesicht gelacht, als ich angedeutet habe, er könnte in etwas so Schreckliches wie

Weitere Kostenlose Bücher