Die satten Toten: Ein Fall für Karl Kane (Band 2) (German Edition)
Volltrottel vorkam.
»Ich bin keine Kleine. Mein Name ist Bär«, sagte der Bär und näherte sich Karls misstrauischem Gesicht.
»Verstehe … na ja, ich suche nach einem bestimmten Haus, das du ganz sicher nicht kennst, Bär.«
»Meinst du Brenda’s?«, fragte Bär.
»Pardon?«
»Brenda’s. Du weißt schon, das Haus, wo alle komischen Männer nachts hingehen.«
»Du meinst ein Obdachlosenasyl?«
»Bist du weich in der Birne, Mister? Die komischen Männer gehen dorthin, weil sie Sex haben wollen. Es ist ein Hurenhaus. Suchst du danach?«
Karl klappte fast der Unterkiefer runter. »Nein … nein, aber ich merk’s mir, für den Fall, dass ich mich mal wieder komisch fühle.« Er wolle schon weitergehen, als er sich überlegte, dass das kleine Nicht-Engelchen möglicherweise doch wissen könnte, wo Ramblers lag.
»Schon mal von einer Bar namens Ramblers gehört?«
»Klar. Wer nicht? Jeder kennt Ramblers. Ist am Clifton Square.«
»Clifton Square? Du kannst mir nicht zufällig sagen, wie ich dorthin komme?«
»Klar doch.«
Karl wartete, doch den zwei Worten folgten keine weiteren mehr. Er versuchte es erneut. »Kannst
du mir
vielleicht sagen, wie ich zum Clifton Square komme?«
Bär nickte. »Kostet aber was.«
»Was du nicht sagst«, seufzte Karl, zückte die Geldbörse und kramte ein paar Münzen heraus, die er in ausgestreckte Pfote und Hand legte.
»Das hier
ist
der Clifton Square«, sagte Bär. »Das da drüben ist Ramblers, gleich neben der Bäckerei.«
»Neben der …« Karl sah über die Straße zu dem Gebäude, auf das sie zeigte. Ramblers sah aus wie eine alte Kirche, die zu einer anderen alten Kirche umgebaut worden war. »Kein Wunder, dass ich es übersehen habe.«
»Da solltest du aber echt nicht reingehen, Mister«, riet das kleine Mädchen. »Da drin prügeln sie sich andauernd und schlagen Leute zusammen.«
»Danke. Ich merk’s mir.«
Vor dem Ramblers stieg Karl über einen spindeldürren, schlafenden Hund, der als Türstopper fungierte. Der Hund regte sich kurz und gab ein leises Knurren von sich, dann döste er weiter. Karl fragte sich, ob der Hund möglicherweise ein Omen war und das kleine Mädchen recht haben könnte.
Ein knochiger junger Mann – zwischen fünfzehn und zwanzig – hielt Karl auf, als er gerade eintreten wollte.
»Sorry, Alter. Nachmittags nur für Mitglieder. Komm Sonntagabend wieder. Da spielen die anderen alten Fürze Bingo und stricken Socken.«
»Das da in der Tür ist mein Fuß. Entweder er passiert die Schwelle, oder er landet in deinem Arsch. Noch hast du die Wahl,
Bübchen
.«
Bübchen sah Karl in die Augen und wandte sich rasch ab. »Ich … ich melde dich beim Geschäftsführer.«
»Das dachte ich mir.«
Aus der Musicbox neben der Bar begrüßte Karl die sanfte Stimme von Boxcar Willie, der »Gypsy Lady and the Hobo« sang.
Der erste Hinweis darauf, dass diese Bar möglicherweise ein gefährliches Pflaster war, lieferte ein Schild
:
Keine Schlägerei mit vollen Flaschen. Wer den Fernseher kaputt macht, erhält lebenslänglich Hausverbot. Wir kommen nicht für Ihre Krankenhauskosten auf.
Unter dieses offizielle Schild hatte ein Witzbold mit blauem Filzstift gekritzelt:
Auch nicht für Beerdigungskosten.
Das Innere der Bar erinnerte an eine alte Cowboyserie,
Bonanza
oder
High Chaparral
: Sägemehl auf dem Boden, Saloon-Schwingtüren und sogar rostige Spucknäpfe höchst ungesunden Aussehens unter jedem Tisch. Boxcar Willie verstummte, es folgte das wehmütig schmachtende »I Fall to Pieces« von Patsy Cline.
Wie um das Authentische des Interieurs der Bar noch zu bestätigen, herrschte plötzlich eine wildwestmäßige Stille, als Karl die Bar betrat und betont lässig zum Tresen schlenderte – ein breitbeiniges Schlendern, auf das John Wayne stolz gewesen wäre. Doch obwohl es sich um eine säkularisierte Kirche handelte, glaubte Karl irgendwie nicht, dass es die Stille religiöser Ehrfurcht war – vielmehr wirkten die Gäste wie ein Lynchmob in mehr schlecht als recht gefälschten Designerjeans.
Karl schwang sich am Ende des Tresens auf einen Hocker und gab dem Barkeeper ein Zeichen. »Wenn du mal Zeit hast, Kumpel …«
Der Barkeeper betrachtete Karl mit so finsterer Miene, dass sich tektonische Verwerfungen auf seiner Stirn bildeten, und wandte sich wieder dem Fernseher zu.
»Kriegt man hier was zu trinken?«, beharrte Karl.
Der Barkeeper antwortete nicht, aber hinter Karl ertönte eine Stimme.
»Hat man dir nicht gesagt,
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