Die Sau und der Mörder
einem Club, wo die Preise hoch und die Gäste dementsprechend waren. Sarah hatte mich wie verabredet um halb acht abgeholt. In einem schnuckligen Fischrestaurant hatten wir zu Abend gegessen. Da wir erwachsen waren und somit nicht um zehn zu Hause sein mussten, waren wir noch in den Club Tropical gefahren, um einen oder zwei Drinks zu verkosten. Als großer Alice-Schwarzer-Fan hatte ich mich sofort einverstanden erklärt, dass Sarah für die Getränke aufkommen wollte.
»Schau doch nach .«
Die Mitte der Bar nahm eine kreisrunde Theke ein, hinter der zwei Mixer die Wünsche der Kunden zu erfüllen versuchten, was ihnen mühelos gelang. Noch nie hatte ich einen solchen Cuba Libre genossen. Müller und ich hatten es uns in einer gemütlichen Nische bei Kerzenschein gemütlich gemacht und läuteten gerade die dritte Runde ein. Aus Sarahs Umgang mit dem Personal war abzuleiten, dass sie hier nicht zum ersten Mal gastierte.
»Das sind zweitausend Schleifen«, glaubte ich meinen Augen nicht zu trauen.
»Könntest glatt bei der Sparkasse anfangen .«
Müller hatte einen Umschlag über den Tisch geschoben. Für den Inhalt musste ein Fließbandarbeiter bei Opel vier Wochen Akkord arbeiten, Sonntagsarbeit inklusive.
»Wen soll ich umlegen ?« , versuchte ich zu scherzen.
»Den Barmann, der diese scheußlichen Drinks mixt.«
»Erstens sind die Drinks ausgezeichnet, zweitens habe ich meine Kanone zu Hause gelassen, und drittens ist mein Bedarf an Leichen für Dezember gedeckt. Also, wofür ist das Geld ?«
»Finde den Mörder von Cornelia Lienen .«
»So schnell habe ich noch nie zwei Lappen verdient. Der Mörder heißt Balthasar Kinker und ist tot. Du warst doch dabei, als ich Vaganz meine Untersuchungsergebnisse mitgeteilt habe .«
»Kinker war es nicht. Suchst du jetzt den Kerl, der meine Freundin umgebracht hat ?«
»Cornelia ist deine Freundin ?« Und da hatte ich geglaubt, ich wäre nicht mehr so leicht zu schockieren.
»Wir kennen uns seit der Schulzeit. Also, was ist ?«
»Sarah, da du im Moment offensichtlich nicht weißt, was du redest, lass es mich erklären: Vor einigen Tagen ist der Dichter Hermann Grutz ermordet worden. Das glauben auf jeden Fall seine Kollegen, denn von offizieller Seite wurde sein Tod als Selbstmord deklariert. Vaganz hat mich beauftragt, den Mörder zu schnappen. Im Verlauf der Ermittlungen habe ich Cornelia Lienen kennengelernt, die mit Hermann zusammen war. Wenig später ist sie ebenfalls getötet worden, und zwar in meiner Badewanne. Grutz wollte ein Buch über schmutzige Geschäfte im Dülmener Krankenhaus veröffentlichen und ist dabei wohl einigen auf die Füße getreten. Im Laufe der Ermittlungen bin ich zusammengeschlagen, fast getötet und von der Presse zum Schlächter gestempelt worden. Außerdem gibt es mittlerweile fünf Leichen, und ich will nicht die sechste sein. Ich weiß nicht, ob Kinker die beiden getötet hat, aber es ist durchaus möglich, zumal dieser Irre auf jeden Fall in die Organgangstergeschichte verwickelt ist .«
Sarah unterbrach meinen Monolog durch lautes Gelächter: »Organgangster, das ist gut .«
»Darf ich zu Ende berichten ?« , war ich allmählich angesäuert.
»Entschuldige .«
»Ich habe schon zig Mordfälle bearbeitet, und nicht selten war dabei mein Leben in Gefahr. Aber mit dieser Bande ist nicht zu spaßen. Ich kann nur von Glück reden, dass ich nicht schon unter der Erde liege oder im Knast versauere. Deswegen ist Kinker der Mörder, denn er kann nicht mehr widersprechen. So sind alle Beteiligten glücklich: Ich kassiere mein Honorar und werde hundert Jahre alt; Vaganz hat die Bestätigung, dass Grutz keinen Selbstmord begangen hat, und einen Täter. Jetzt können alle fröhlich weiterleben, und wenn sie nicht gestorben sind...«, lehnte ich mich zurück und nippte am Drink.
»Bin ich jetzt dran ?«
»Nur zu«, gefiel mir ihr kalter Gesichtsausdruck überhaupt nicht.
»Kinker war zwar ein unberechenbarer Geisteskranker, aber er hat Grutz und Cornelia nicht auf dem Gewissen. Ich verstehe deine Beweggründe, den Fall so abzuschließen, aber es gibt keine Organgangster, die dir nach dem Leben trachten .«
»Ich habe sie mit eigenen Augen beobachtet .«
»Wie sie Organe gestohlen haben ?« Kalt, kälter, Müller.
Ich beschloss, mit offenen Karten zu spielen, bevor ich hier noch erfror: »Dein Bruder ist in die Geschäfte verwickelt .«
»Ich weiß. Du hast eine Menge herausgefunden und viel Staub aufgewirbelt, kurzum: Du bist ein
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