Die Sau und der Mörder
der Welt glaubt, dass die Drei eine besondere Zahl ist. Sie repräsentiert das Göttliche, bildet die wahre Einheit. Mich haben jedoch nur zwei Gründe in deinen Tempel geführt«, schnappte Franz aka Bhagwan sich ein Räucherstäbchen und wedelte damit durch die Gegend.
»Ich muss eine Sünde gestehen und dein Heim von dem Schmutz reinigen, mit dem ich dich befleckt habe«, schwadronierte der konvertierte Dichter.
»Ich steh nicht auf diesen Mist, also spuck’s schon aus«, knurrte ich langsam genervt. Schließlich stand die Aussprache mit Tine bevor.
»Ich habe dich angerufen«, stellte er das nach Toilettenstein duftende Hölzchen zurück in den Halter.
»Und? Viele Leute rufen mich an«, hatte sich mein Gesicht zu einem Fragezeichen verformt.
»Mmh«, wirkte Bhagwan zum ersten Mal ein wenig verlegen, »aber nicht anonym .«
Langsam fiel der Groschen, ’tschuldigung, die 5-Cent-Münze.
»Du hast Gisbert Bruhns denunziert ?«
»Ich bin einige Male mit ihm angeeckt«, wirkte er erleichtert, dass ich es ausgesprochen hatte. »Er mag meine Lebensweise nicht, meine Poesie noch weniger. Als Vaganz dich beauftragt hat, war das eine Gelegenheit, es ihm heimzuzahlen. Besonders erleuchtet war das allerdings nicht, und deshalb musste ich es dir beichten .«
Pater Dieter, warum nicht?
Die Frage war nun natürlich, ob er Grutz auf dem Gewissen hatte. Aber warum sollte er mir dann den Anruf gestehen? Andererseits war jeder der Serapionsbrüder bekloppter als Bauer Steinmanns schizophrenes Pferd Freddy. Das hatte sich beim Erwachsenwerden an der Obersau Hanne statt an anderen Gäulen orientiert. Freddy wälzte sich mit größtem Vergnügen im Dreck und gab grunzähnliche Laute von sich. Sowohl anatomisch als auch psychologisch ein Wunder.
»Und der zweite Grund deines Besuchs ?« , outete ich mich als guter Zuhörer.
Bettina räusperte sich und brach dann in wildes Ge-schluchze aus. Ziemlich theatralisch.
»Dieter, wir müssen reden .«
»Da kannst du einen drauf lassen, insbesondere nach deinem grandiosen Radioauftritt. Um es ein für alle Mal klarzustellen: Der Keks ist gegessen, der Drops ist gelutscht, die Messe ist gelesen. Capito?«
»Ich hoffe, du bist nicht verletzt«, schniefte sie.
»Häh ?« , verstand ich die Welt nun gar nicht mehr.
»Erst die Liebeserklärung, nun die Trennung. Ich versteh mich ja selbst nicht .«
»Erklär’s mir, aber ganz langsam«, ließ ich mich auf die Couch fallen und rang um Fassung. »Ich bin nur ein einfacher Junge aus dem Pott und komm da nicht mehr mit .«
»Ich war heute Morgen schon hier«, brachte Spoden sich ein.
»Das ist ja superinteressant«, wandelte sich Fassungslosigkeit in Verärgerung.
»Du warst nicht da, dafür aber Bettina. Wir haben sofort die gegenseitige Anziehung gespürt. Geradezu alchimistisch. Sie wird bei mir einziehen, noch heute Nacht. Verzeih, aber unsere Libido war einfach übermächtig .«
»Ja«, fiel Tine vor mir auf die Knie, »verzeih mir. Du musst dir vollkommen ausgenutzt Vorkommen. Mein armer Freund. Aber Franz repräsentiert genau das, wonach ich immer gesucht habe .«
Janis Joplin und Bhagwan, das war mal ein nettes Gespann. Aber hatte ich nicht eine Vorahnung gehabt? Vielleicht sollte ich mich mal als Guru versuchen? Da gab es bestimmt die eine oder andere Mücke zu verdienen.
»Und die Liebesschwüre im Radio? Nur erstunken und erlogen ?« , war meine Eitelkeit doch ein wenig gekränkt.
»Nein, die kamen von Herzen. Aber da war ich Bhagwan noch nicht begegnet«, tupfte sie mit einem Tempo die Wangen trocken. »Komm mal bitte mit, ich hab noch was für dich. Franz, entschuldigst du uns kurz ?«
Bettina schwebte voran in Richtung Schlafgemächer, ich hinterher, des lieben Friedens willen. Auf ihrem Bett stand ein Postpaket, und auf ihr Geheiß hin klappte ich den Deckel auf. Wahnsinn! Unter einem prall gefüllten Briefumschlag lümmelten zig CDs vor sich hin; ich identifizierte sofort die Cover des ersten Violent Force- Demos und des Witching Metal -Demos von Sodom. Im Sichtfenster des Kuverts posierte ein Fünfhunderter; Weihnachten und Geburtstag zugleich.
Ich verzichtete aufs Nachzählen, drehte mich stattdessen zu meiner Ex um und zack, trafen sich unsere Lippen. Eines musste man Bettina lassen: Sie küsste phantastisch. Allerdings hatte Spoden noch einiges an Arbeit vor sich, bevor er in den vollen Genuss kam, denn bei ihrer phänomenalen Nase hatten wir damals ein Jahr gebraucht, bis wir die adäquate Kussposition
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