Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
ich mich schon, ob
er
das möchte oder seine Mutter. Davon abgesehen hatte »Mischael«, also Herr Dickmann, in der gesamten Zeit seiner Ehe offenbar nichts weiter getan, als seiner Frau beim Kinderkriegen, Alkoholtrinken und Kinder-Vernachlässigen zuzusehen. Die Kinder waren inzwischen zwei, vier und sechs Jahre alt und so auffällig, dass die Leiterin des Kindergartens mehrfach beim Jugendamt vorgesprochen hatte.
Herrn Dickmanns Mutter hatte davon erfahren und sofort reagiert, indem sie ihrem »Mischael« befahl, sich von dieser Frau zu trennen und umgehend zu ihr zu ziehen.
Da saß er nun im Wohnzimmer seiner Mutter und rührte weiter in seiner Kaffeetasse, als hätte er beschlossen, dies einfach so lange zu tun, bis die böse Frau Gutachterin wieder weg ist.
Das Gespräch mit Herrn Dickmann gestaltete sich also zunächst äußerst schwierig. Er sprach sehr leise, schaute auf die Tischdecke, als stünden dort seine knappen Antworten geschrieben, und hörte nicht auf, in seinem Kaffee zu rühren.
Ich bemerkte, wie mir das zunehmend die Konzentration raubte. Das Geräusch konnte ich nun kaum mehr ausblenden. Außerdem saß ich nun schon seit fast einer Stunde hier im Plastikgartenhaus und wusste nur, dass »der Mischael, der das alles ganz alleine kann« außer: »Ich weiß ja auch nicht …«, »Ich hab es doch nur gut gemeint« und »Das kann ich mir auch nicht erklären« kaum etwas zu sagen hatte.
Offenbar hatte Herr Dickmann bis vor einem halben Jahr eine volle Stelle bei einer Elektronikfirma gehabt und an den Wochenenden als Lkw-Fahrer noch etwas dazuverdient. Er war kaum zu Hause gewesen und hatte gedacht, seine Frau würde mit den Kindern zurechtkommen. Er hatte schon bemerkt, dass der Haushalt zunehmend verwahrloste und auch dass seine Kinder recht still waren, aber seine Frau hatte immer für alles eine für ihn einleuchtende Erklärung gehabt und ihm, als er einmal doch genauer nachfragte, gedroht, die Kinder mitzunehmen und ihn für immer zu verlassen.
Diese Drohung war für Herrn Dickmann so beängstigend gewesen, dass er sich danach nie wieder beschwert und auch keine Erklärungen mehr für diverse Missstände verlangt hatte. Nachdem ich ihn gemeinsam mit seiner Mutter erlebt hatte, glaubte ich ihm das sofort.
Vor meinem geistigen Auge sah ich »Mischael«, wie er von seiner Frau an die Hand genommen und auf den Balkon geführt wird, um dort so lange zu bleiben, bis er keine dummen Fragen mehr stellt.
Ich wischte das Bild schnell weg und konzentrierte mich wieder auf Herrn Dickmann, wie er mir gegenüber am Tisch saß.
Er schien gefangen hinter einer dicken Mauer aus Gehorsam seiner Mutter und auch seiner Frau gegenüber. Und nun befand er sich auch noch in einer undurchdringlichen Kaffee-rühr-Zeitschleife …
Doch seine Mutter rettete ihn.
Sie riss so plötzlich die Tür auf, dass er vor Schreck seine Tasse umstieß, in der sich daraufhin nichts mehr zum Rühren befand.
» ICH MUSS JETZT LOS !«, trompetete Mutter Dickmann, verschwand schimpfend, kam wieder, schubste ihren Sohn, so dass der fast vom Stuhl gefallen wäre, und wischte unter »Dich-kann-man-auch-keine-Sekunde-aus-den-Augen-lassen-was-hast-du-denn-da-schon-wieder-angestellt« den Kaffee vom Tisch.
Ich stand auf und schüttelte ihr die Hand.
»Oh, falls ich dann schon weg bin, wenn Sie wiederkommen, bedanke ich mich schon einmal ganz herzlich für Ihre Zeit und den Kaffee.«
Frau Dickmann stutzte und war offensichtlich gar nicht damit einverstanden, dass ich nun mit ihrem »Mischael« alleine im Haus sein würde. Sie ging zur Kommode, auf der einer der Tränenclowns aus dem Garten herumlungerte, kramte in einer Schublade und legte ihrem Sohn ein Handy in die Hand.
» DA ! Meine Nummer hab ich dir schon gewählt. Du musst nur da draufdrücken, dann komm ich gleich nach Hause.«
Ich war sehr erleichtert, als sie danach ohne weitere Ermahnungen für »Mischael« und Erklärungen an mich, dass »der das alles alleine kann«, verschwand.
Und auch ihr Sohn war auf einmal sichtlich entspannter. Er schaute zwar nach wie vor auf die Tischplatte, atmete aber ein paarmal tief ein und aus und schien kein Problem damit zu haben, dass seine Hand nun nicht mehr sinnlos in der Kaffeetasse rühren konnte.
Schließlich sah er auf und fragte leise: »Was soll ich denn jetzt machen?«
Endlich.
Endlich eine Reaktion von ihm, die in die richtige Richtung ging.
»Was ist denn Ihr Wunsch, Herr Dickmann? Und ich meine damit wirklich
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