Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
Väter.
Ich erklärte ihm, dass seine Gefühle in Ordnung und keineswegs »falsch« oder »krank« seien, wie er vermutete. Wenn er gerne eine bessere Beziehung zu seinen Kindern hätte und sich vorstellen könnte, diesbezüglich Hilfe anzunehmen, dann könnte man entsprechende Schritte einleiten.
»Ja, schon. Aber wie sieht das dann aus? Ich kann mir jetzt schon vorstellen, was meine Ex-Frau und meine Familie sagen werden. Die werden über mich herfallen. Und dann kriegen die Kinder womöglich zu hören: ›Der Papa kann nicht mit euch umgehen‹ oder ›Der will euch gar nicht bei sich haben‹. Das geht nicht. Das will ich auf keinen Fall! Ich kann ja auch nicht einfach den Antrag zurückziehen. Das ist doch alles …« Er seufzte und raufte sich die Haare.
Wir vereinbarten schließlich Folgendes: Ich würde vorschlagen, es bei der bisher bestehenden Umgangsregelung zu belassen. Herr Wischnewsky würde zustimmen und seiner Familie dazu erklären, dass er es schweren Herzens tue, aber keinen Sinn darin sehe, weiter zu kämpfen, wenn die Sachverständige diese Empfehlung gebe. Dies habe auch sein Anwalt gesagt. So könnte er dann zumindest sein Gesicht wahren.
Herr Wischnewksy würde mit seinen Kindern an einer Vater-Kind-Gruppe der Caritas teilnehmen. Er hatte vor, dies als »nettes Freizeitangebot« zu deklarieren.
Tatsächlich war die Gruppe nach außen hin genau das: ein Freizeitangebot für Väter mit Kindern. Sie wurde geleitet von einem Sozialpädagogen mit viel Erfahrung, Kreativität und Verständnis. Herr Birkmann hatte diese Gruppe vor vielen Jahren für Väter wie Herrn Wischnewsky ins Leben gerufen.
Zwar gab es dort tatsächlich Freizeitangebote für Väter mit Kindern, die eigentliche Maßnahme bestand aber in einer begleitenden Erziehungsberatung und wöchentlichen Gruppengesprächen. Der Vorteil dieser Gruppe lag auf der Hand: Herr Birkmann erlebte die Väter während der Freizeitaktivitäten mit ihren Kindern und konnte so im Rahmen der Einzel- und Gruppengespräche auf gemeinsam Erlebtes zurückgreifen und besser auf sie eingehen.
Als ich Herrn Wischnewsky von diesem Angebot erzählte, konnte man seine Erleichterung förmlich sehen. Sie breitete sich auf seinem Gesicht aus und schien kurz darauf seinen gesamten Körper zu erfassen. Er atmete tief durch: »Jetzt fühl ich mich besser.«
Nicht nur, dass er nicht würde zugeben müssen, dass er Beratung in Anspruch nahm, er erkannte in diesem Moment etwas weitaus Wichtigeres: Er war nicht allein. Es gab noch andere Väter wie ihn. Und weder die Sachverständige noch der Sozialpädagoge verurteilten ihn für seine Gefühle.
Ich musste Herrn Wischnewsky allerdings hoch und heilig versprechen, dass ich niemandem außer Herrn Birkmann von seiner Situation erzählen würde.
»Wenn Sie meiner Ex-Frau davon erzählen, werde ich das alles abstreiten. Das geht nicht anders. Für mich kommt nicht in Frage, mit irgendjemandem aus meinem Umfeld darüber zu sprechen. Auf gar keinen Fall!«
Es war zwar etwas gewagt von mir, aber ich tat es. Und konnte das Versprechen halten.
Die Mutter der Kinder war überrascht und sehr erleichtert, als sie hörte, dass Herr Wischnewsky sich damit einverstanden erklärte, die Umgangskontakte so weiterlaufen zu lassen wie bisher. Auch seine Teilnahme an der Vater-Kind-Gruppe der Caritas erstaunte und freute sie gleichermaßen.
»Wissen Sie, das hätte ich nie gedacht, dass es für ihn in Ordnung sein könnte, wenn die Kinder auch weiterhin nicht bei ihm übernachten. Und dass er jetzt auch noch in so eine Gruppe geht … Ich bin sprachlos. Vielleicht ist er ja doch nicht so verbohrt, wie ich dachte.« Frau Wischnewsky lächelte.
Und wie ich erfuhr, schrieb sie ihrem Ex-Mann noch am gleichen Abend einen langen Brief. Ich weiß nicht, was darin stand, aber ich hörte von Herrn Birkmanns Kollegin, dass sich Herr und Frau Wischnewsky in den folgenden Monaten wieder langsam angenähert hatten. Sie wohnten zwar weiterhin in getrennten Wohnungen, regelten aber den Alltag einvernehmlich und schienen für sich eine neue passende Art der Partnerschaft gefunden zu haben.
Der Mischael, der kann das alleine!
»Der Mischael, der kann das alles ganz prima alleine! Das war schon immer so! Der braucht keine Hilfe. Von niemandem!«
»Ja, wissen Sie, Frau Dickmann, das …«
»Und wenn ich Ihnen sage, dass der das kann, dann kann der das auch! Das müssen Sie mir dann schon glauben!«
»Frau Dickmann, es
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