Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
IHREN Wunsch und nicht den Ihrer Mutter.«
»Ich möchte meinen Kindern ein guter Vater sein und sie glücklich sehen.«
Diese Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.
Eine so schnelle und vor allem auch sinnvolle Reaktion hatte ich offen gestanden nicht erwartet.
Ein Hoffnungsschimmer.
Vielleicht war es ja doch möglich, ein konstruktives Gespräch mit ihm zu führen und mit ihm gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten.
»Herr Dickmann, ich will ehrlich zu Ihnen sein …«
Der Beginn meiner Erklärung wurde lautstark von Roland Kaiser begleitet, der an den schneeweißen Stränden von Santa Maria die Jugend einer Frau in den Händen hielt. Offenbar hatte er in einem seiner Urlaube eine Inselschönheit entjungfert und sich dann am Morgen danach aus dem Staub gemacht. Und mit so etwas verkaufte er dann Millionen Singles, zu denen Hausfrauen auf der heimischen Eckbank Eierlikör schlürfen und sehnsüchtig seufzen. Also, da fragt man sich doch …
Nachdem Herr Dickmann und ich uns gefühlte drei Minuten mit einer Mischung aus Erstaunen und Ratlosigkeit angestarrt hatten, blickte »Mischael« wieder auf die Tischplatte und sah dort das Handy hysterisch blinken und zucken.
»Da muss ich drangehen …«
Kaum hatte Herr Dickmann das Handy am Ohr, vernahm ich schon die schrille, inzwischen wohlbekannte Stimme: » MISCHAAAAEEEEL , WIE LANGE DAUERT DAS DENN , BIS DU MAL ABNIMMST !!?! IS SE ENDLICH WEG ??!« Offenbar war Frau Dickmann der Ansicht, die räumliche Distanz zwischen ihr und dem Angerufenen durch Lautstärke wettmachen zu müssen.
»Mischael« schaute mich entschuldigend an und verließ das Zimmer. Gedämpft hörte ich seine Versuche, zu antworten und selbst etwas zum Gespräch beizutragen.
»Mama … Ja, ich …«
»Nein … Mama, ich …«
»Ja … Mama … Ja …«
»Mama …«
»Mama, hör … Mama … Hör mir … Mama …«
»Ja …«
»Ja …«
»Mama, ich …«
»Ja …«
Er kam erschöpft und mit hängenden Schultern wieder an den Tisch, setzte sich und starrte erst das Handy in seiner Hand und dann mich mit leerem Blick an.
»Sie ist gleich wieder da. Ich glaube, Sie gehen besser …«
Es gibt Momente, da muss man sich einfach geschlagen geben. Es war offensichtlich, dass ich an diesem Tag kein fruchtbares Gespräch mehr mit Herrn Dickmann würde führen können. Wir verabredeten uns zu einem weiteren Gespräch – ohne seine Mutter und in neutraler Umgebung.
In der Haustür stehend, sah Herr Dickmann so verloren und mutlos aus, dass ich mich beinahe mit einem freundlichen Tätscheln und »Mach’s gut, Mischael« verabschiedet hätte.
Herr Dickmann sagte den vereinbarten Termin am Abend zuvor ab und begründete dies mit wichtigen Behördengängen. Das kannte ich schon. Natürlich sagen die Menschen häufig Termine ab, wenn sie sie denn überhaupt absagen, statt einfach nicht zu erscheinen oder nicht zu Hause zu sein. Begutachtungstermine sind meist unangenehm, und da wird der Gang zum Arbeitsamt, zur Post oder zum Friseur schon mal so wichtig, dass er unaufschiebbar ist und leider eben an genau diesem Tag und zu dieser Zeit stattfinden muss.
Wir vereinbarten also einen weiteren Termin, der kurz darauf von »Mischaels« Mutter auf einen drei Wochen späteren Termin verschoben wurde.
»Der kann erst in drei Wochen. Das geht nicht früher, das müssen Sie schon verstehen!«
»Frau Dickmann, es wäre aber wichtig …«
»Ja, ja, das ist immer alles wichtig. Schon klar. Der kann erst in drei Wochen und Punkt.«
»Wenn ich bitte mal mit Ihrem Sohn …«
»Meine Güte! Sie können ja mit dem Mischael sprechen. In drei Wochen. Das wird ja wohl noch Zeit haben bis dahin. Das geht nicht früher!«
»Frau Dickmann …«
»Das ist sowieso alles Zeitverschwendung. So ein Kokolores! Da ist alles in Ordnung beim Mischael! Da müssen Sie gar nicht mit dem reden. Ich habe Ihnen alles gesagt, was Sie wissen müssen.«
Eine spätere Rücksprache mit Herrn Dickmann ergab, dass »meine Mutter da schon recht hat. Das geht nicht früher. Da kann ich nichts machen …«
Als ich Herrn Dickmann schließlich wieder traf, erzählte er, dass er seit dem letzten Besuchskontakt bei seinen Kindern vor einigen Tagen nicht mehr geschlafen habe. Er schien tatsächlich aufgewühlt.
Alle drei Kinder konnten für den Zeitraum, in dem geklärt wurde, wo sie denn nun dauerhaft leben sollten, glücklicherweise gemeinsam in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht
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