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Die Schandmaske

Die Schandmaske

Titel: Die Schandmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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genau an und legte ihn dann vor sich auf die Löschunterlage. »Jedenfalls unerwartet«, erwiderte er trocken. »Ich hatte angenommen, Mrs. Gillespie sei Witwe. Sie hat nie von einem noch lebenden Ehemann oder -« er verlieh dem nächsten Wort besondere Betonung - »geschiedenen Mann gesprochen.«
    »Ehemann«, sagte Gillespie energisch. »Natürlich nicht. Passte ihr besser, als Witwe zu gelten.«
    »Warum haben Sie sich nie scheiden lassen?«
    »Keine Notwendigkeit.«
    »Dieser Pass ist in Hongkong ausgestellt.«
    »Natürlich. War vierzig Jahre da draußen. Bei verschiedenen Banken. Als mir klar wurde, dass ich dort nicht mein Leben beschließen will, bin ich zurückgekommen. Zu unsicher. Peking ist unberechenbar. Nicht das richtige für einen Mann meines Alters.« Er sprach in kurzen, abgehackten Sätzen wie jemand, der es eilig oder für gesellschaftliche Floskeln nichts übrig hat.
    »Und warum sind Sie zu mir gekommen?« Duggan beobachtete ihn neugierig. Er war zweifellos ein auffallender Mann mit seinem vollen weißen Haar, dem olivbraunen Teint und den tiefen Falten, die sich um Augen und Mund eingegraben hatten, bei näherem Hinsehen jedoch zeigte sich die Armut, die hinter der scheinbar opulenten Fassade lag. Seine Garderobe war von guter Qualität, aber Zeit und ständiger Gebrauch hatten ihre Spuren hinterlassen, und sowohl der Anzug als auch der Kamelhaarmantel begannen fadenscheinig zu werden.
    »Sollte meinen, das wäre klar. Sie ist tot -jetzt will ich mir zurückholen, was mir gehört.«
    »Wie haben Sie von Ihrem Tod erfahren?«
    »Mittel und Wege«, antwortete Gillespie.
    »Woher wissen Sie, dass ich der Testamentsvollstrecker bin?“
    »Mittel und Wege«, sagte Gillespie wieder.
    Duggan war sehr neugierig. »Und was wollen Sie sich zurückholen?«
    James Gillespie nahm eine Brieftasche heraus, entnahm ihr einige gefaltete Bl ätter sehr dünnen Papiers und breitete sie auf dem Schreibtisch aus. »Das ist eine Bestandsliste des Nachlasses meines Vaters. Das Erbe wurde bei seinem Tod vor siebenundvierzig Jahren zu gleichen Teilen unter seinen drei Kindern geteilt. Mein Anteil waren alle die Gegenstände, die mit JG gekennzeichnet sind. Ich denke, Sie werden feststellen, dass mindestens sieben davon auf Ihrer Bestandsliste von Mathildas Nachlass erscheinen. Diese Stücke sind nicht ihr Eigentum und waren es nie. Und jetzt möchte ich sie mir, wie ich schon sagte, zurückholen.«
    Bed ächtig las Duggan die Papiere durch. »Auf welche sieben Stücke genau beziehen Sie sich, Mr. Gillespie?«
    Er zog gereizt die buschigen wei ßen Brauen zusammen. »Machen Sie keine Spielchen mit mir, Mr. Duggan. Ich spreche natürlich von den Uhren - den zwei Thomas Tompions, der Knibbs, der Mahagoni-Uhr aus dem siebzehnten Jahrhundert, der Louis-XVI.-Uhr, der pendule d'officier aus dem achtzehnten Jahrhundert und der Kruzifix-Uhr. Mein Vater und mein Großvater waren Sammler.«
    Duggan sah ihn scharf an. »Darf ich fragen, wieso Sie so überzeugt sind, dass eines dieser Stücke auf der Bestandsliste von Mrs. Gillespies Nachlass erscheint?«
    »Wollen Sie behaupten, das sei nicht der Fall?«
    Duggan wich einer direkten Antwort aus. »Wenn ich Sie recht verstanden habe, waren Sie vierzig Jahre außer Landes. Woher wollen Sie wissen, was sich am Tag des Todes Ihrer Frau in ihrem Besitz befand?«
    James Gillespie prustete ver ächtlich. »Die Uhren waren die einzigen Wertgegenstände, die sie hatte, und sie hat sich eine Menge Umstände gemacht, um sie mir zu stehlen. Sie hätte sie bestimmt nicht verkauft.«
    »Wie konnte Ihre Frau sie stehlen, wenn Sie beide noch verheiratet waren?«
    »Sie hat sie mir mit einem hinterlistigen Trick abgeluchst, aber es war trotzdem Diebstahl.«
    »Ich verstehe leider nicht.«
    Gillespie nahm einen Luftpostbrief aus seiner Brieftasche und reichte ihn über den Schreibtisch. »Spricht für sich selbst.«
    Duggan entfaltete das Schreiben und las. Als Adresse war das Cedar Home angegeben, das Datum war der April 1961.
    »Lieber James, es tut mir leid, Dir mitteilen zu müssen, dass bei einem Einbruch in den Weihnachtsfeiertagen eine Reihe von Wertsachen aus dem Haus gestohlen wurden, darunter auch Deine Uhrensammlung. Ich habe heute einen Ausgleichsscheck von der Versicherung erhalten und lege die Abrechnung bei, aus der hervorgeht, dass mir ein Gesamtbetrag von 23 500 Pfund bezahlt wurde. Ich lege ferner einen Scheck über 12 000 Pfund bei, der den Versicherungswert Deiner Uhren deckt. Du

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