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Die Schandmaske

Die Schandmaske

Titel: Die Schandmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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können.«
    »Aber ich bin ja nicht mal sicher, dass es wirklich Mord ist! Es sieht aus wie Selbstmord.«
    »Wieso schnappt dir dann fast die Stimme über? Du hörst dich an wie Maria Callas an einem schlechten Abend. Ich mag mit meinem Urteil ein wenig vorschnell sein, aber ich habe den Eindruck, du bist zu hundert Prozent sicher, dass es sich um einen Mord handelt, und zu neunundneunzig Prozent, dass du weißt, wer's war. Red mit der Polizei.«
    Sie schwieg so lange, dass er schon glaubte, die Verbindung wäre unterbrochen. »Mit den neunundneunzig Prozent irrst du dich«, sagte sie schließlich. »Ich habe tatsächlich keinen Schimmer, wer es gewesen sein könnte.« Mit einem gedämpften »Tschüs« legte sie auf.
    Das Telefon begann zu l äuten, noch ehe sie die Hand vom Hörer genommen hatte, aber sie war so durcheinander, dass sie ein paar Sekunden brauchte, ehe sie den Mut fand abzuheben.
    Am folgenden Morgen, Samstag, fuhr ein Rechtsanwalt mit Mathildas Testament in der Aktentasche von Poole nach Fontwell. Er hatte am Abend zuvor im Cedar House angerufen, um sein Kommen anzuk ündigen und die Bombe platzen zu lassen, dass nämlich alle früheren Testamente Mathilda Gillespies durch das neue, das sie zwei Tage vor ihrem Tod in seiner Kanzlei unterzeichnet hatte, unwirksam geworden seien. Mrs. Gillespie habe ihn angewiesen, ihre Tochter und ihre Enkelin so bald wie möglich nach ihrer Beerdigung persönlich davon zu unterrichten, und dies im Beisein von Dr. Sarah Blakeney, wohnhaft in MM House, Long Upton, zu tun. Dr. Blakeney passe es morgen Vormittag. Ob Mrs. und Miss Lascelles elf Uhr genehm sei? Die Atmosph äre in Mathildas Wohnzimmer war eisig. Joanna stand, ihrer Tochter und Sarah den Rücken gekehrt, an der Fenstertür und starrte in den Garten hinaus. Ruth rauchte pausenlos und durchbohrte die beiden anderen Frauen mit finsteren Blicken. Niemand sprach. Sarah, die diesen Raum voll bunt zusammengewürfelter, aber sehr schöner Antiquitäten - georgianische Eckschränkchen, verblichene alte Chintzbezüge auf dem viktorianisehen Sofa, niederländische Aquarelle des 19. Jahrhunderts, eine Louis-XVI.-Uhr auf dem Kaminsims - immer geliebt hatte, fand dieses Wiedersehen mit ihm deprimierend.
    Das Knirschen von Autoreifen drau ßen auf dem Kies zerriss die Spannung. »Ich geh schon«, sagte Ruth und sprang auf.
    »Ich weiß gar nicht mehr, wie er heißt«, bemerkte Joanna, sich umdrehend. »Dougall, Douglas?«
    »Duggan«, sagte Sarah.
    »Dann kennen Sie ihn?«
    »Nein. Ich habe mir seinen Namen aufgeschrieben, als er gestern Abend angerufen hat.« Sie zog einen Zettel aus ihrer Tasche. »Paul Duggan, von der Kanzlei Duggan, Smith und Drew in Poole.«
    Joanna lauschte ins Vestib ül hinaus, wo ihre Tochter jemanden begrüßte. »Meine Mutter hatte anscheinend großes Vertrauen zu Ihnen, Dr. Blakeney. Wie kommt das? Sie können sie doch höchstens - wie lange? ein Jahr gekannt haben.« Ihr Gesicht war unbewegt - darauf trainiert, dachte Sarah, zur Erhaltung des jugendlichen Aussehens -, doch in ihrem Blick lag tiefer Argwohn.
    Sarah l ächelte freundlich. Sie war in eine sehr undankbare Position gedrängt worden, und es gefiel ihr herzlich wenig. Joanna tat ihr in vieler Hinsicht leid, und ihre Erinnerung an Mathilda begann sich zunehmend zu trüben. Die Beziehung, die sie als unbeschwert gesehen hatte, nahm nun nachträglich bedrückende Züge an, und sie ärgerte sich über die Anmaßung der alten Frau, die meinte, noch nach ihrem Tod ihre Ärztin manipulieren zu können. Sarah hatte nicht das geringste Verlangen, in einem erbitterten Rechtsstreit zwischen Joanna und ihrer Tochter die Vermittlerrolle zu übernehmen. Die Sache ging sie einfach nichts an.
    »Ich tappe genauso im dunkeln wie Sie, Mrs. Lascelles, und bin wahrscheinlich genauso verärgert«, erwiderte sie aufrichtig. »Ich müsste dringend für die kommende Woche einkaufen und mich um Haus und Garten kümmern. Ich bin lediglich hier, weil Mr. Duggan gesagt hat, wenn ich nicht käme, würde er diese Besprechung auf einen Tag verschieben müssen, an dem es mir passt. Da ich dachte, dass das für Sie und Ruth noch unangenehmer wäre, habe ich gleich dem heutigen Termin zugestimmt.«
    Joanna wollte gerade etwas antworten, als die T ür sich öffnete, und Ruth hereinkam. Ihr folgte ein l ächelnder Mann mittleren Alters, der einen Videorecorder und obenauf eine Aktentasche trug.
    »Mr. Duggan«, sagte Ruth kurz und ließ sich wieder in ihren Sessel

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