Die Schandmaske
fallen. »Er möchte den Fernseher benutzen. Ob ihr's glaubt oder nicht, Großmutter hat ein verdammtes Video-Testament gemacht.«
»Das ist nicht ganz zutreffend, Miss Lascelles«, sagte der Mann und bückte sich, um den Recorder neben das Fernsehgerät auf den Boden zu stellen. Dann richtete er sich auf und bot Joanna, in der er offenbar Mathildas Tochter erkannte, die Hand. »Guten Tag, Mrs. Lascelles.« Er ging weiter zu Sarah, die aufgestanden war, und gab ihr ebenfalls die Hand. »Dr. Blakeney.« Dann wies er auf die Sessel. »Bitte nehmen Sie Platz. Uns allen ist unsere Zeit kostbar, darum möchte ich davon nicht mehr in Anspruch nehmen, als nötig. Ich bin in meiner Eigenschaft als einer der gemeinschaftlichen Testamentsvollstrecker von Mrs. Mathilda Beryl Gillespie hier. Kopien des schriftlichen Testaments werde ich Ihnen gleich aushändigen, und Sie werden sich dann vergewissern können, dass dieses Testament in der Tat alle früheren Testamente von Mrs. Gillespie außer Kraft setzt. Der andere gemeinschaftliche Testamentsvollstrecker ist Mr. John Hapgood, derzeit Leiter der Filiale von Barclays Bank in der Hills Road in Poole. Wir handeln natürlich beide im Namen unserer Firmen. Sollte also einer von uns seine Tätigkeit bei der betreffenden Firma beenden, so wird an seiner Stelle ein anderer Testamentsvollstrecker bestellt werden.« Er machte eine kurze Pause. »Ist das soweit klar?« Er blickte sie der Reihe nach an.
»Gut. Wenn Sie sich jetzt bitte einen Moment gedulden würden, ich werde nur den Videorecorder an den Fernsehapparat anschließen.«
Wie ein Zauberk ünstler zog er ein Kabel aus seiner Tasche und schob den einen Stecker in den Fernseher, den anderen in das Videogerät. »Und jetzt brauchen wir noch einen Stromanschluss«, murmelte er, während er ein Elektrokabel hinten aus dem Videorecorder zog. »Wenn ich mich recht erinnere, ist rechts vom Kamin eine Steckdose. - Ah ja, da haben wir sie schon. Wunderbar. Und für den Fall, dass Sie sich wundern sollten, warum ich mich so gut auskenne, darf ich sagen, dass Mrs. Gillespie mich in ihr Haus gebeten hatte, um eine Bestandsliste aller im Haus befindlichen Gegenstände aufzunehmen.« Er strahlte sie alle an. »Einzig um möglichen Streitereien nach der Verlesung des Testaments vorzubeugen.«
Sarah merkte pl ötzlich, dass sie seit seinem Eintreten mit offenem Mund dagestanden hatte. Sie schloss ihn ganz bewusst und sah Duggan zu, wie er den Fernsehapparat einstellte, dann seine Aktentasche öffnete und ihr eine Videokassette entnahm, die er in den Recorder schob, ehe er zurücktrat, um nun Mathilda Gillespie für sich selbst sprechen zu lassen. Man könnte eine Stecknadel fallen hören, dachte sie, als Mathildas Gesicht auf dem Bild schirm erschien. Selbst Ruth sa ß wie versteinert, ihre Zigarette vorübergehend vergessen zwischen ihren Fingern.
Die vertraute Stimme mit ihrem schneidenden upper-class-Tonfall klang klar und selbstsicher aus dem Lautsprecher.
»Tja, meine Lieben -« Mathildas Lippen wurden schmal, als sie geringschätzig den Mund verzog - »ihr werdet sicher neugierig sein, warum ich es mir nicht nehmen ließ, euch auf diese Weise zusammenzubringen. Joanna verwünscht mich jetzt sicher im stillen, Ruth wird mir wieder einmal grollen, und Sarah, vermute ich, wird langsam wünschen, sie wäre mir nie begegnet.« Mathilda Gillespie lachte trocken. »Ich bin mittlerweile taub für deine Verwünschungen, Joanna, wenn es also ein Bewusstsein nach dem Tode gibt, was ich bezweifle, werden sie mich nicht erschüttern. Und deine Klagen und Beschwerden, Ruth, sind in letzter Zeit so eintönig geworden, dass sie mich einfach langweilen. Auch sie werden mich nicht erschüttern.« Ihre Stimme wurde eine Spur weicher. »Die Irritation allerdings, die Sarah zweifellos darüber empfindet, dass ich sie so eigenmächtig in die Angelegenheiten meiner Familie hineinziehe, bekümmert mich. Ich kann dazu nur sagen, dass ich Ihre Freundschaft und Ihre Charakterstärke in der Zeit, in der wir einander kannten, hochgeschätzt habe, Sarah, und niemanden sonst kenne, der auch nur halbwegs imstande wäre, die Last zu übernehmen, die ich Ihnen zumuten werde.«
Sie schwieg einen Moment, um einen Blick in die Notizen auf ihrem Scho ß zu werfen. Auf Sarah, der ihre unkritische Zuneigung zu Mathilda jetzt im Angesicht der allgemeinen Ablehnung, die alle, die sie gekannt hatten, dieser Frau entgegenbrachten, naiv erschien, wirkte Mathildas Blick
Weitere Kostenlose Bücher