Die Schandmaske
ühl der Unsicherheit im Magen sah Sarah ihm nach, als er davonfuhr. Sie hätte es ahnen, sich ein wenig vorbereiten müssen. Sprich mit Dr. Blakeney. Sie weiß am besten, was zu tun ist. Und Jack? Hatte er es gewusst?
Sie f ühlte sich plötzlich sehr einsam.
Sarah war dabei, das Laub zusammenzurechen, als an diesem Nachmittag Sergeant Cooper kam. Er ging durch das Gras zu ihr und sah ihr eine Weile schweigend zu. »Harte Arbeit«, murmelte er dann teilnahmsvoll.
»Ja.« Sie lehnte den Rechen an einen Baum und schob ihre Hände in die Taschen ihrer Barbourjacke. »Gehen wir lieber rein. Da ist es wärmer.«
»Machen Sie sich meinetwegen keine Sorgen«, sagte er. »Ich bleib genauso gern draußen und rauch eine.« Er zog eine zerdrückte Packung Silk Cut unter seinem Mantel hervor und zündete sich mit unverhohlenem Genuss eine Zigarette an. »Grässliche Angewohnheit«, bemerkte er beinahe verschämt. »Eines Tages werd ich's schon noch aufgeben.“
Sarah zog erheitert eine Augenbraue hoch. »Wieso haben Raucher immer so ein schrecklich schlechtes Gewissen?«
»Die Zigaretten verraten, wie willensschwach wir sind«, antwortete er trübe. »Andere Leute geben das Rauchen auf, aber wir schaffen es nicht. Ich hab ehrlich gesagt nie verstanden, warum die Gesellschaft uns wie Aussätzige behandelt. Den Raucher muss ich erst noch kennenlernen, der nach einer Zigarette zu viel seine Frau geprügelt oder ein Kind totgefahren hat. Aber ich könnte Ihnen hundert Betrunkene zeigen, die so was getan haben. Meiner Meinung nach ist der Alkohol eine weit gefährlichere Droge als das Nikotin.«
Sie f ührte ihn zu einer Bank am Weg. »Die moralische Mehrheit wird bestimmt eines Tages auch die Trinker verurteilen«, sagte sie. »Dann wird die ganze Welt in langen Unterhosen durch die Gegend joggen, Vollwertkost essen und Karottensaft trinken und vor Gesundheit aus den Nähten platzen.«
Er lachte. »Das müsste Ihnen als Ärztin doch recht sein.«
»Dann hab ich nichts mehr zu tun.« Sie lehnte sich zurück. »Außerdem hab ich sowieso meine Schwierigkeiten mit der moralischen Mehrheit. Mir sind freidenkende Individualisten tausendmal lieber als politisch korrekte Massen, die tun, was ihnen gesagt wird, weil irgendein anderer darüber entschieden hat, was gesellschaftlich akzeptabel ist.«
»Ist das der Grund, weshalb Sie Mrs. Gillespie mochten?«
»Wahrscheinlich.«
»Erzählen Sie mir von ihr.«
»Ich kann dem, was ich Ihnen schon gesagt habe, im Grunde kaum was hinzufügen. Sie war ganz bestimmt die ungewöhnlichste Person, die mir je begegnet ist. Absolut zynisch. Sie hatte vor nichts und niemandem Achtung. Sie glaubte nicht an Gott und Vergeltung. Sie verabscheute die Menschen im allgemeinen und die Leute von Fontwell im besonderen und blickte auf jeden, ob tot oder lebendig, herab. Die einzige Ausnahme war Shakespeare, den sie für ein alle überragendes Genie hielt.«
»Und Sie haben sie gemocht!«
Sarah lachte. »Vermutlich hat mir das Anarchische daran gefallen. Sie hat immer ausgesprochen, was die meisten von uns höchstens denken. Besser kann ich es nicht erklären. Ich habe mich immer darauf gefreut, sie zu sehen.«
»Die Sympathie muss gegenseitig gewesen sein, sonst hätte sie Ihnen nicht ihr Geld hinterlassen.«
Sarah antwortete nicht gleich. »Ich hatte keine Ahnung, was sie vorhatte«, sagte sie dann. Sie schob beide Hände in ihr Haar und lupfte es ein wenig. »Für mich ist es ein scheußlicher Schock. Ich habe das Gefühl, manipuliert zu werden, und das mag ich gar nicht. «
Er nickte. »Duggan zufolge hatte Mrs. Gillespie beide Testamentsvollstrecker angewiesen, die Sache geheimzuhalten.« Er starrte auf das glühende Ende seiner Zigarette. »Wobei wir allerdings nicht sicher sein können, dass nicht sie selbst jemanden eingeweiht hat.«
»Wenn sie das getan hätte«, sagte Sarah, »wäre sie wahrscheinlich noch am Leben. Immer vorausgesetzt natürlich, dass sie ermordet wurde.«
»Sie meinen, wer immer sie getötet hat, wusste nicht, dass Sie erben würden, sondern glaubte, er selbst würde kassieren können?«
Sie nickte. »So etwa.«
»Dann müssten es die Tochter oder die Enkelin gewesen sein.«
»Das kommt darauf an, was in dem vorherigen Testament festgelegt war. Vielleicht hat sie ja noch andere Personen bedacht. Es ist schon für geringere Beträge gemordet worden als das Vermögen, das Joanna und Ruth erwartet haben.«
»Aber das würde heißen, dass sie ihres Geldes wegen
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