Die Schandmaske
starrte Duggan herausfordernd an. »Großmutter hat ihrer Ärztin den Schwarzen Peter zugeschoben. Die soll jetzt versuchen, was Ordentliches aus den Cavendishs zu machen.« Ihre Lippen kräuselten sich verächtlich. »Wenn das kein schlechter Witz ist! Dabei hat sie mich auch noch vorgewarnt. Sprich mit Dr. Blakeney. Sie weiß am besten, was zu tun ist. So was Unfaires!« Sie stampfte mit dem Fuß auf. »Eine Gemeinheit ist das!«
Joanna war nachdenklich. »Ist das richtig, Mr. Duggan?«
»Strenggenommen nicht, nein. Ihre Mutter hat zwar Dr. Blakeney so eingeschätzt, dass diese zumindest einen Teil der Verfügungen, die sie für Sie und Ihre Tochter getroffen hat, anerkennen würde, aber ich muss betonen, dass Dr. Blakeney dazu nicht verpflichtet ist. Das Testament besagt nichts dergleichen. Sie kann die Wünsche Ihrer Mutter ganz nach eigener Entscheidung interpretieren, und wenn sie der Auffassung ist, dass es eine lohnende Aufgabe wäre, zu Mrs. Gillespies Andenken hier im Dorf ein Krankenhaus zu bauen, ohne Sie oder Ihre Tochter zu berücksichtigen, so ist das völlig Rechtens.«
Wieder trat ein l ängeres Schweigen ein. Als Sarah von intensivem Studium des Teppichmusters aufblickte, sah sie, dass aller Augen auf sie gerichtet waren. Unaufhörlich gingen ihr Ruths Worte im Kopf herum: Wenn das kein schlechter Witz ist! »Donnerstag«, sagte sie seufzend. »Ich komme am Donnerstag zu Ihnen in die Kanzlei. Wahrscheinlich mit meinem Anwalt. Ich muss sagen, mir ist das alles sehr unangenehm, Mr. Duggan.«
»Arme Dr. Blakeney«, sagte Joanna mit einem verkniffenen Lächeln. »Mir scheint, Ihnen wird allmählich klar, was für eine grausame Person meine Mutter war. Von dem Tag an, als sie Gerald verführte, hatte sie den Daumen auf dem Beutel der Cavendishs, und sie hat ihn über fünfzig Jahre lang mit Hilfe von Drohungen und Erpressung darauf behalten.« Ein Ausdruck des Mitleids flog über ihr seltsam unbewegtes Gesicht. »Und jetzt hat sie Sie dazu auserkoren, ihre tyrannische Herrschaft zu übernehmen. Der Diktator ist tot.« Sie verneigte sich ironisch. »Lang lebe der Diktator.«
Sarah blieb neben Paul Duggans Wagen stehen, w ährend der Anwalt den Videorecorder im Kofferraum verstaute. »Hat die Polizei diesen Film gesehen?« fragte sie ihn, als er sich aufrichtete.
»Noch nicht. Ich habe in ungefähr einer halben Stunde einen Termin mit einem Sergeant Cooper. Dem werde ich dann eine Kopie geben.«
»Hätten Sie der Polizei den Film nicht gleich vorführen sollen? Mathilda machte mir nicht den Eindruck einer Frau, die kurz vor einem Selbstmord stand. Ich muss gestorben sein, ohne es mir anders überlegt zu haben . .. Das h ätte sie sicher nicht gesagt, wenn sie vorgehabt hätte, sich zwei Tage später das Leben zu nehmen.«
»Ich bin ganz Ihrer Meinung.« Sein rundes Gesicht strahlte, und sie runzelte irritiert die Stirn.
»Sie nehmen das alles sehr locker«, sagte sie spitz. »Ich kann für Sie nur hoffen, Sergeant Cooper versteht, warum Sie die Vorführung des Films verzögert haben. Ich jedenfalls verstehe es nicht. Mathilda ist seit zwei Wochen tot, und die Polizei rackert sich ab, um herauszufinden, ob es wirklich Selbstmord war oder vielleicht Mord.«
»Es ist nicht meine Schuld, Dr. Blakeney«, erwiderte er liebenswürdig. »Der Film hat so lange bei der Firma gelegen, die ihn hergestellt hat. Es sollte noch Musik unterlegt werden. Mrs. Gillespie wollte Verdi im Hintergrund.« Er lachte glucksend. »Dies Irae - der Tag des Zorns. Ganz passend, finden Sie nicht?« Er wartete auf eine Reaktion von ihr, doch sie war nicht in der Stimmung, auf seinen Ton einzugehen.
»Kurz und gut«, fuhr er fort, »sie wollte sich den fertigen Film dann ansehen, und man sagte ihr, es würde etwa einen Monat dauern. Diese Geschichten brauchen anscheinend viel Zeit. Die Filmleute waren ganz aus dem Häuschen, als sie von mir hörten, dass Mrs. Gillespie tot ist. Das alles gibt Ihrem Argument, dass sie nicht vorhatte, sich das Leben zu nehmen, zusätzliches Gewicht.« Er zuckte die Achseln. »Ich war nicht dabei, als sie den Film machte, darum wusste ich nicht, was er enthielt. Ich glaubte, es sei lediglich eine letzte Botschaft an ihre Familie. Ich habe ihn gestern Abend zum ersten Mal gesehen und daraufhin sofort einen Termin bei der Polizei vereinbart.« Er sah auf seine Uhr. »Zu dem ich zu spät kommen werde, wenn ich mich nicht beeile. Ich sehe Sie dann also am Donnerstag.«
Mit einem schrecklichen Gef
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