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Die Schandmaske

Die Schandmaske

Titel: Die Schandmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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haben nichts dagegen, die Ihren abzugeben? Sie werden später vernichtet.« Er nahm ihr Schweigen als Zustimmung. »Sie sagten, Sie wissen nicht, wo Ihr Mann sich aufhält, aber fällt Ihnen vielleicht jemand ein, mit dem er in Verbindung stehen könnte?«
    »Nur mein Anwalt. Er hat mir versprochen, mir Bescheid zu geben, sobald er etwas hört.«
    Cooper lie ß seinen Zigarettenstummel ins feuchte Gras fallen und stand auf. Er zog den Gürtel seines Trenchcoats fester. »Keine Freunde oder Bekannten, an die er sich gewendet haben könnte?«
    »Ich habe es überall versucht. Er hat sich bei niemandem gemeldet.«
    »Würden Sie dann so freundlich sein und mir Name und Telefonnummer Ihres Anwalts aufschreiben, während ich mir dieses Bild ansehe.« Er lächelte. »Nach allem, was Sie gesagt haben, bin ich gespannt, ob ich etwas damit anfangen kann.«
    Sarah war beeindruckt davon, mit welcher Sorgfalt er sich dem Bild zu n ähern versuchte. Lange Zeit stand er da und sagte gar nichts. Dann frage er sie, ob Jack auch von ihr ein Porträt gemacht habe. Sie holte es aus dem Wohnzimmer und stellte es neben das von Mathilda. Er verfiel von neuem in schweigende Betrachtung. »Tja«, sagte er schließlich, »Sie haben ganz recht. Ich hätte nie erkannt, dass das ein Porträt von Mrs. Gillespie ist. Ebenso wenig hätte ich erkannt, dass dieses andere Bild Sie darstellen soll. Ich kann schon verstehen, warum niemand ihn als Genie betrachtet.«
    Sarah war verwundert über ihre Enttäuschung. Aber was hatte sie denn erwartet? Er war ein einfacher Polizeibeamter vom Lande, kein Renaissancemensch. Sie zwang sich zu dem höflichen Lächeln, das ihre Standard reaktion auf die h äufig abfälligen Bemerkungen anderer über Jacks Bilder war, und fragte sich nicht zum ersten Mal, wieso sie der einzige Mensch war, der fähig zu sein schien, sie zu würdigen. Es war ja nicht so, als wäre sie vor Liebe blind - im Gegenteil -, und doch war in ihren Augen das Porträt Mathildas von außergewöhnlicher Kraft und genialem Ausdruck. Jack hatte Schicht auf Schicht gearbeitet, um dem Inneren des Gemäldes einen aus der Tiefe durchscheinenden goldenen Glanz zu geben - Mathildas Witz und Humor, dachte sie, der durch das komplexe Gewebe von Blau- und Grautönen, ihre Grausamkeit und ihr Zynismus, hindurch schimmerte. Und darum herum die Brauntöne der Verzweiflung und Unterdrückung und das Rostrot von Eisen, Jacks Chiffre für Rückgrat und eisernen Willen, hier jedoch in Form der Schandmaske gestaltet.
    Sie zuckte die Achseln. Vielleicht war es ja auch ein Gl ück, dass Sergeant Cooper das nicht sehen konnte. »Wie ich schon sagte, er malt die Persönlichkeit, nicht das Gesicht.«
    »Wann hat er das von Ihnen gemacht?«
    »Vor sechs Jahren.«
    »Und hat sich Ihre Persönlichkeit in sechs Jahren verändert?«
    »Das glaube ich eigentlich nicht. Die Persönlichkeit ändert sich kaum, Sergeant, das ist der Grund, weshalb Jack sie mit Vorliebe malt. Man ist, was man ist. Ein großzügiger Mensch bleibt großzügig. Ein Tyrann bleibt ein Tyrann. Man kann die Kanten ein wenig abschleifen, aber der Kern lässt sich nicht verändern. Einmal gemalt, sollte die Persönlichkeit für immer erkennbar sein.«
    Er rieb sich die H ände, als freue er sich auf einen Kampf.
    »Dann lassen Sie mich mal sehen, ob ich hinter sein System kommen kann. In dem Bild von Ihnen ist viel Grün, und Ihre auffallendsten Wesensmerkmale sind Mitgefühl - nein«, verbesserte er sich sofort, »Einfühlungsvermögen - Sie leben sich in die Gefühle anderer ein, ohne sie zu bewerten. Also, Einfühlungsvermögen, Ehrgefühl - Sie sind eine ehrenhafte Frau, sonst würden Sie sich wegen dieser Erbschaft nicht so schlecht fühlen -, Ehrlichkeit - die meisten Leute hätten auf die Frage nach diesem Bild gelogen -, und Sie sind nett.« Er sah sie an. »Gilt Nett sein als Wesensmerkmal oder ist das Wischiwaschi?«
    Sie lachte. »Viel zu viel Wischiwaschi. Außerdem lassen Sie die unerfreulichen Seiten außer Acht. Für Jack hat jeder seine hellen und seine dunklen Seiten.«
    »Gut.« Er richtete seinen Blick wieder auf das Porträt. »Sie sind eine sehr eigensinnige Frau, die genug Selbstvertrauen besitzt, um erwiesenen Tatsachen zu trotzen, sonst hätten Sie Mrs. Gillespie nicht gemocht. Dazu gehört, dass Sie auch naiv sind, sonst würden Ihre Ansichten nicht so weit von denen aller anderen abweichen. Sie neigen zu vorschnellen Entschl üssen, sonst würden Sie die Trennung von Ihrem Mann

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