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Die Schandmaske

Die Schandmaske

Titel: Die Schandmaske Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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das Schuldbewusstsein des Lauschers an der Wand, der zwischen Gehen und Bleiben schwankt, doch da sie, im Gegensatz zu den meisten Lauschern, Entdeckung nicht fürchten musste, gewann die Neugier die Oberhand. Sie nahm ein Glas aus der Geschirrspülmaschine, hielt es mit der Öffnung an die Wand und drückte ihr Ohr an seinen Boden. Augenblicklich kamen die Stimmen näher. Vielleicht war es ein Glück für sie, dass sie sich selbst nicht sehen konnte. Die Art, wie sie dastand, um zu lauschen, hatte etwas Unanständiges und Verstohlenes, und ihr Gesicht trug den Ausdruck eines Spanners, der durch ein Fenster späht, um eine nackte Frau zu beobachten. Lüstern. Erwartungsvoll.
    »... du etwa, ich weiß nicht, was du in London treibst? Eine beschissene Nutte bist du, und das hat Granny auch gewusst. Das alles ist nur deine Schuld, verdammt noch mal, und jetzt willst du's wohl mit ihm treiben, um mich auszumanövrieren.«
    »Untersteh dich, so mit mir zu sprechen. Ich habe gute Lust, dich in Zukunft einfach links liegenzulassen. Glaubst du, es interessiert mich auch nur im geringsten, ob du studieren kannst oder nicht?«
    »Ja, das ist typisch. Eifersucht, nichts als gemeine Eifersucht! Du kannst es einfach nicht ertragen, dass ich was tu, was du nicht getan hast.«
    »Ich warne dich, Ruth. Ich höre mir das nicht länger an.«
    »Und warum nicht? Weil's die Wahrheit ist und die Wahrheit weh tut?« Die Stimme des Mädchens war tränenerstickt. »Warum kannst du dich nicht wenigstens ab und zu wie eine Mutter verhalten? Granny war mir mehr Mutter, als du's bist. Du hast mich immer nur gehasst. Aber ich hab schließlich nicht darum gebeten, geboren zu werden!«
    »Das ist doch kindisch.«
    »Du hasst mich, weil mein Vater mich geliebt hat.«
    »Mach dich nicht lächerlich.«
    »Doch, es ist wahr. Granny hat's mir gesagt. Sie hat gesagt, Steven hat mich angebetet und immer sein Engelchen genannt, und du bist jedes Mal stinkwütend geworden. Sie hat gesagt, wenn ihr euch hättet scheiden lassen, du und mein Vater, dann wäre er nicht gestorben.«
    Joannas Stimme war eisig. »Und du hast ihr natürlich geglaubt, weil du genau das hören wolltest. Du bist genau wie deine Großmutter, Ruth. Ich dachte, nach ihrem Tod wäre endlich Schluss mit all dem, aber da habe ich mich offensichtlich gr ündlich getäuscht. Du hast das ganze Gift von ihr geerbt!«
    »Na, wunderbar! Hau einfach ab, wie du das immer tust. Wann schaust du endlich mal einem Problem ins Auge, Mutter, anstatt so zu tun, als existierte es nicht? Granny hat immer gesagt, das sei das einzige, was du wirklich drauf hättest, jede Unannehmlichkeit unter den Teppich zu kehren und weiterzumachen, als wäre nichts gewesen. Herrgott noch mal!« Ihre Stimme schwoll an. »Du hast doch gehört, was der Polizist gesagt hat.« Als hätte sie nun endlich die ungeteilte Aufmerksamkeit ihrer Mutter, wurde sie wieder ruhiger. »Die Polizei vermutet, dass Granny ermordet worden ist. Also, was soll ich ihnen erzählen?«
    »Die Wahrheit.«
    Ruth lachte schrill. »Sehr schön. Ich erzähl ihnen also, wofür du dein Geld ausgibst, ja? Ich erzähl ihnen, dass Granny und Dr. Hendry dich für völlig wahnsinnig gehalten haben und daran dachten, dich in eine Anstalt einzuliefern, ja? Na, dann kann ich auch gleich richtig ehrlich sein und ihnen erzählen« - ihre Stimme brach -, »wie du mich umbringen wolltest. Oder soll ich lieber den Mund halten, weil wir sonst mit einer Testamentsanfechtung nicht die geringste Chance haben? Das Gesetz lässt nämlich nicht zu, dass man vom Mord an der eigenen Mutter profitiert, falls du das nicht wissen solltest.«
    Es blieb so lange still, dass Violet Orloff sich fragte, ob die beiden in einen anderen Teil des Hauses gegangen waren.
    »Das ist ganz allein deine Sache, Ruth. Ich habe nicht die geringsten Bedenken, ihnen zu sagen, dass du an dem Tag, an dem deine Großmutter starb, hier im Haus warst. Du hättest nicht ihre Ohrringe stehlen sollen, du dummes Luder. Und ebenso wenig all die anderen Sachen, von denen du deine gierigen Finger nicht lassen konntest. Du hast sie so gut gekannt wie ich. Hast du im Ernst geglaubt, sie würde es nicht merken?« Joannas Stimme troff vor Sarkasmus. »Sie hat eine Liste gemacht und sie in ihrer Nachttischschublade hinterlegt. Wenn ich sie nicht vernichtet hätte, säßest du jetzt schon in einer Zelle. Du hältst ja mit deiner Panik über dieses absurde Testament überhaupt nicht hinter dem Berg. Da wird es der

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